Große Chronik von Gramatneusiedl, Marienthal und Neu-Reisenberg
1400 bis 1499
1400
Über Ersuchen des Grundherren
Hans II. von
Ebersdorf (?–1444), oberster Kämmerer in Österreich, und unter Zustimmung des Pfarrers
von Moosbrunn (Niederösterreich), Eberhard, genehmigt Ludwig II. Snaynzer
(?–1410), Abt von Melk (1387–1410), am
1. Mai 1400 die Konsekration (Weihe) der im
Vorjahr errichteten Kapelle in Gramatneusiedl, welche den Heiligen
Petrus / כיפא
(d.i. Simon / שִׁמְעוֹן;
um 3–um 64) und Paulus / פאולוס
(d.i. Saul / שאול; um 10/5 v.Chr.–um 67)
geweiht wird. Das etwa vier mal vier Meter große, gotische Presbyterium ist heute noch erhalten und damit der älteste vorhandene Gebäudeteil Gramatneusiedls. Später mehrfach
umgebaut und zur heutigen Kirche Sankt Peter und Paul vergrößert, ist diese bis 26. Juni
1949, als sie zur Pfarrkirche geweiht wird, eine Filialkirche der Kirche Sankt Laurentius in Moosbrunn
(Niederösterreich).

1403
Am 25. März 1403 kaufen die Gemeinden Gramatneusiedl und Moosbrunn einen Hof in Moosbrunn
(Niederösterreich) samt Wein- und Getreidezehnt von Hans Hölzl aus Eisdorf (abgekommen, befand sich einst bei Altenburg,
Niederösterreich) und dessen Ehefrau Elisabeth Hölzlin. In dem Kaufbrief sind auch die ersten Amtmänner der Herrschaft Gramatneusiedl, die als Stellvertreter für den Herrschaftsinhaber fungieren, namentlich belegt:
Ulrich der Stuchs für die halbe Herrschaft der Ebersdorfer und Ulrich der Vidler für die
andere Herrschaftshälfte des Metropolitankapitels zu Sankt Stephan. Dieser Kauf wird am selben Tag durch den Lehenherrn von Moosbrunn, Ludwig II. Snaynzer
(?–1410), Abt von Melk (1387–1410), bestätigt, um damit eine ewige
Messstiftung für die
Kapelle
in Gramatneusiedl zu finanzieren.

1405
Am 29. März 1405 verpflichtet sich Jörg der List, Pfarrer in Moosbrunn
(Niederösterreich), vier Wochenmessen und sonstigen Gottesdienst sowie Seelsorge
für die Kapelle
in Gramatneusiedl zu leisten, ausgenommen Begräbnisse, welche ausschließlich in Moosbrunn verbleiben sollen. Dafür erhält er die
1403
gemachte Stiftung der Gemeinden Moosbrunn und Gramatneusiedl.

1408
Im Jahr 1408 gibt es im ganzen Herzogtum Österreich einen außerordentlich kalten und schneereichen Winter.

1420
Am 23. Mai 1420 beginnt auf Befehl von Albrecht V. von Habsburg (1397–1439), Herzog von Österreich, neuerlich eine groß angelegte Judenverfolgung im gesamten Herzogtum Österreich, die sich bis März 1421 hinzieht. Es fängt mit einer Gefangennahme aller
Juden – Männer, Frauen und Kinder – an und endet mit deren Vertreibung, Folterung und Ermordung.

1425
Die im November 1425 beginnenden Einfälle der Hussitenheere ins Herzogtum Österreich werden erst nach dem Sieg des Heeres von Albrecht V. von Habsburg (1397–1439), Herzog von Österreich, über die Hussiten in der Schlacht bei Waidhofen an der Thaya
(Niederösterreich) am 14. Oktober 1431 beendet, wenngleich sich die tatsächliche Befriedigung in Österreich bis Dezember 1431 hinzieht.

1428
Die Ebersdorfer verkaufen die ihnen verbliebene Hälfte der Herrschaft
Gramatneusiedl an die Ladendorfer. An wen diese Herrschaftshälfte nach dem Aussterben der Ladendorfer – vermutlich 1471 –
geht, ist unbekannt; 1520 befindet sie sich jedenfalls im Besitz der Liebfrauen-Bruderschaft in der Domkirche zu Sankt Stephan.

1431
Wegen der seit 1425 währenden Hussitenkriege wird um 1431 das ganze Herzogtum Österreich in vier Viertel
eingeteilt: Viertel ober dem Manhartsberg (etwa das heutige Waldviertel), Viertel unter dem Manhartsberg (etwa das Weinviertel), Viertel ober dem Wienerwald (etwa das Mostviertel) und Viertel unter dem Wienerwald (etwa das Industrieviertel), zu welchem auch Gramatneusiedl gehört.

1438
Für den 25. Juli 1438 ist erstmals eine Mühle an der Fischa in Gramatneusiedl urkundlich belegt: »mul mit aller ir zu gehoerung gelegen zu Gramasnewsidel auff der vischa«.
(
Urkunde.) Man kann annehmen, dass es sich um die
spätere Ladenmühle handelt. Zugleich sind das hier genannte Ehepaar Anna und Erhard die ersten uns namentlich bekannten Bewohner Gramatneusiedls; auch wenn der Familienname in dieser Urkunde nicht genannt wird, handelt es sich um
zwei Personen der bis heute im Ort ansässigen Familie Griesmüller (siehe dazu 1451), eine der ältesten nachweisbaren und noch als Landwirte tätigen Bauernfamilien Niederösterreichs. Erhard Griesmüller könnte übrigens mit einem für 1429 in Elsbach
(heute zu Sieghartskirchen, Niederösterreich) belegten Untertanen identisch sein, das heißt, er
könnte von dort nach Gramatneusiedl zugezogen sein.

1451
Am 25. September 1451 übergeben Anna Griesmüllerin, die Witwe des Müllers Erhard Griesmüller, sowie ihre Söhne Wolfgang und Paul Griesmüller, ihr Schwiegersohn, der Müller Paul Neuschlag, und dessen Ehefrau Katharina (geborene Griesmüller) die
bereits 1438 genannte
Mühle an der
Fischa
und drei Wiesen dem Spitalmeister des Wiener Bürgerspitals vor dem
Kärntnertor, Wien, Christian Brenner. (
Urkunde.) Der nächste Beleg für eine Mühle in Gramatneusiedl findet sich erst
1591.

1451
Die Vertreter der österreichischen
Stände schließen am 14. Oktober 1451 einen Bund (»Mailberger Bund«) gegen den Vormund von Ladislaus Postumus von Habsburg (1440–1457), Friedrich V. von Habsburg (1415–1493), welcher gerade auf dem Weg zur Kaiserkrönung
nach Rom (Roma) ist, und fordern die Auslieferung von Ladislaus. Nach seiner Rückkehr aus Rom,
nunmehr als Kaiser Friedrich III., wird er vom 29. August bis 4. September 1452 in Wiener Neustadt
(Niederösterreich) vom Heer der österreichischen Stände belagert. Die Rebellion bewirkt die Einsetzung von Ladislaus als Landesherrn, doch wird
ihm der Erzherzogtitel verweigert, als Friedrich III. das Herzogtum Österreich 1453 zum Erzherzogtum erhebt.

1453
Am 6. Januar 1453 wird das Herzogtum Österreich, in dem Gramatneusiedl liegt, zum
Erzherzogtum Österreich unter der Enns erhoben.

1458
Im Frühjahr 1458 gibt es im gesamten Erzherzogtum Österreich unter der Enns eine Dürrekatastrophe, im folgenden Jahr kommt es zu einer katastrophalen Missernte. Deren wirtschaftliche Folgen werden durch eine außerordentliche Inflation, die bis in die
1460er Jahre anhält, verstärkt.

1463
Im Zuge des 1558 bis 1463 währenden Krieges zwischen den Brüdern Friedrich III. von Habsburg (1415–1493) und Albrecht VI. von Habsburg (1418–1463) verwüsten marodierende Söldnertruppen im August und September 1463 die Umgegend von Wien, vermutlich auch
Gramatneusiedl.

1466
Am 13. April 1466 erlässt Kaiser Friedrich III. von Habsburg (1415–1493), Erzherzog von Österreich, ein Aufgebot gegen plündernde Söldner und Räuberbanden, aufgrund dessen in der Folge auch tatsächlich einige Banden zerschlagen werden.

1477
Am 12. Juni 1477 dringt das Heer von Matthias Corvinus (das ist Hunyadi Mátyás; 1443–1490),
König von Ungarn, ins Erzherzogtum Österreich unter der Enns ein und erobert große Teile des Landes, darunter auch Gebiete im Viertel unter dem Wienerwald.
Verschiedene Vertreter des österreichischen Hochadels schließen sich dem Ungarnkönig an, doch kommt es am 1. Dezember 1477 zu einem Friedensschluss.

1482
Im März 1482 beginnt die Eroberung des Erzherzogtums Österreich unter der Enns durch das Heer von Matthias Corvinus (das ist Hunyadi Mátyás; 1443–1490), König von Ungarn, und am 1. Juni 1485 kapituliert Wien. Bis zum 6. April
1490 liegt auch Gramatneusiedl
im Machtbereich von Matthias Corvinus.

1490
Nach dem Tod von Matthias Corvinus (das ist Hunyadi Mátyás; 1443–1490),
König von Ungarn, am 6. April 1490 erobert Friedrich III. von Habsburg (1415–1493) in einem Blitzkrieg zwischen April und August 1490 die seit 1482
besetzten Gebiete des Erzherzogtums Österreich unter der Enns
zurück, wobei es zu schweren Plünderungen in der Umgebung Wiens kommt, vermutlich auch in Gramatneusiedl.

© Reinhard Müller
Stand: Juni
2010
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