Große Chronik von Gramatneusiedl, Marienthal und Neu-Reisenberg
1921
1921
1921 setzt in Österreich infolge des immensen Umlaufs von Papiergeld eine galoppierende Inflation ein, gefolgt von einer bis
1922 andauernden massiven Wirtschafts- und Währungskrise.

1921
Am 24. April 1921 finden in Gramatneusiedl
Gemeinderatswahlen statt. Die »Sozialdemokratische Arbeiterpartei« erhält 895 Stimmen, die »Christlichsoziale
Wirtschafts-, Gewerbe-, Hausbesitzer- und Bürgerpartei« (ein Wahlbündnis aus »Christlichsozialer Partei«, »Niederösterreichischem
Bauernbund« und »Christlichsozialem Volksverband für Niederösterreich«) 296 Stimmen. Bemerkenswert sind die 51 Stimmen für die »Kommunistische Partei Österreichs«, die im Ort weder über eine Lokalorganisation verfügt noch überhaupt kandidiert. Damit bleibt die Mandatsverteilung in der Gemeindevertretung gleich: zwölf
sozialdemokratische und vier christlichsoziale Mandatare. Es ist dies übrigens die einzige Wahl der Zwischenkriegszeit, von der ein Wahlergebnis getrennt nach den beiden Wahlkreisen vorliegt: 1) Gramatneusiedl mit dem Wahllokal im Gemeindewirtshaus Nr. 1
des Schlosses; 2) Marienthal mit dem Wahllokal in der Fabrikrestauration Robert
Schlick. ( Wahlergebnis.)

1921
In der Sitzung
der Gemeindevertretung von Gramatneusiedl vom 14. Mai 1921 wird
Josef Bilkovsky (1871–1940)
wieder zum Bürgermeister gewählt. (Zur erstmaligen Wahl siehe
1919, zur Wiederwahl
1924.)
Weiters wird in dieser Sitzung die Regulierung der Gemeindegrenze zwischen Gramatneusiedl und Moosbrunn
(Niederösterreich) genehmigt.

1921
In der Sitzung der Sitzung
der Gemeindevertretung von Gramatneusiedl vom 5. Juli 1921 scheidet der Oberlehrer Ferdinand
Wilhelm Liebhart (?–1925) nach fünfundzwanzigjähriger Tätigkeit für die Gemeinde aus der Gemeindevertretung aus.
Sein Nachfolger als Vizebürgermeister wird
Rudolf Theuer (1876–1940), der seine Funktion als Gemeindekassier beibehält. Als Gemeindesekretär wird
Liebhart vom Lehrer Johann Posch abgelöst.

1921
In der Sitzung
der Gemeindevertretung von Gramatneusiedl vom 30. August 1921 wird ein neuerliches Ansuchen der
»Wirtschaftspartei« (ein Wahlbündnis aus »Christlichsozialer Partei«, »Niederösterreichischem Bauernbund« und »Christlichsozialem Volksverband für Niederösterreich«) um Ausscheiden der Arbeiterkolonie Marienthal aus der Gemeinde Gramatneusiedl mit zehn gegen vier Stimmen – wie schon
1919 – abgelehnt. Der Akt wird an die Niederösterreichische Landesregierung weitergeleitet, wo er liegen bleibt, was
1925 zu neuerlichen Komplikationen in der Gemeindevertretung
von Gramatneusiedl führt. (
Dokument.)

1921
Im Sommer 1921 werden die im
Vorjahr von der Gemeindevertretung beschlossenen nötigsten Reparaturen beim
Gemeindewirtshaus
Nr. 1 im
Schloss Gramatneusiedl und beim Isolierspital begonnen.

1921
In der Sitzung
der Gemeindevertretung von Gramatneusiedl vom 28. September 1921 wird einstimmig
beschlossen, der
Textilfabrik Marienthal im Gemeindebesitz befindliche Grundstücke zwecks Bau eines neuen
Schleppgleises zu verkaufen.

1921
Im Oktober 1921 wird eine Fotografie angefertigt, welche Bilder aller im Ersten Weltkrieg eingerückten Gramatneusiedler Bürger enthält. Diese ist als Postkarte und vergrößert als Bild (58,8 X 48,6 cm) erhältlich:
»Gedenktafel zur Ehre der lebenden und gefallenen Helden der Gemeinde Gramat-Neusiedl u. Marienthal 1914 1918«.
Wien: Hermann Pernetz & Co., Spezial-Photo-Anstalt [1921].
(
Dokument.)

1921
In der Sitzung
der Gemeindevertretung von Gramatneusiedl vom 3. Dezember 1921 wird ein Komitee unter Leitung von Bürgermeister
Josef Bilkovsky (1871–1940) zur Durchführung der elektrischen Ortsbeleuchtung eingesetzt. Eine Vorsprache des Bürgermeisters bei der
Textilfabrik Marienthal um ein Stromkontingent vom fabrikeigenen
Elektrizitätswerk (errichtet
1890) für die Gemeinde bleibt ohne Erfolg.
Bislang sind nur die Fabrik und einige ihrer Gebäude in Marienthal durch dieses
Elektrizitätswerk mit Strom versorgt, ebenso das
Lagerhaus Gramatneusiedl
der »Landwirtschaftlichen Genossenschaft Gramatneusiedl« und von dort – allerdings
erst seit
1923 – die im Gemeindebesitz befindliche
Bahnhofsrestauration von Karl Wittner (1884–1953), Gramatneusiedl 58 (ab 1961: Bahnstraße 64). Erst
1925 kann die Elektrifizierung des Ortes realisiert werden.

1921
In der Sitzung
der Gemeindevertretung von Gramatneusiedl
vom 27. Dezember 1921 wird über Anordnung der
Bezirkshauptmannschaft Mödling (Niederösterreich) auch in Gramatneusiedl ein Komitee unter Leitung von Bürgermeister Josef Bilkovsky
(1871–1940) gegründet, welches die Ansuchen von Kleingewerbetreibenden, Rentnern, Arbeitslosen und anderen bedürftigen Personen um staatliche
Lebensmittelzuschüsse für die sich ständig verteuernden Lebensmittel zu behandeln hat. Ursache für die Gründung dieser Einrichtung sind die rapide ansteigenden Lebensmittelpreise infolge der Inflation.

1921
1921 wird die Ortsgruppe Marienthal der Jugendorganisation »Kinderfreunde« gegründet, damals noch eine Vorfeldorganisation (nach 1945 Parteiorganisation) der österreichischen Sozialdemokratie,
welche seit 1922 korrekt »Freie Schule – Kinderfreunde« heißt. Im Juni 1922 erhält der Verein seine erste Unterstützung durch die
Freie Gemeinde Gramatneusiedl: 100.000 Kronen, welche für den Ankauf eines Zaunes verwendet werden. Nach dem Aufstand vom Februar
1934
zur Verteidigung der Demokratie wird der Verein behördlich aufgelöst.

1921
1921 lässt die
Textilfabrik Marienthal als einzige bauliche Tätigkeit eine
Aufgangsstiege anbringen. Außerdem wird die
1873
eröffnete Industriegleisanlage
mit einem neuen Schleppgleis versehen.

© Reinhard Müller
Stand: Juni
2011
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