Große Chronik von Gramatneusiedl, Marienthal und Neu-Reisenberg
1924
1924
In der Sitzung
der Gemeindevertretung von Gramatneusiedl
vom 12. März 1924 wird die über Erlass der
Niederösterreichischen Landesregierung vom 6. Februar 1924 verfügte Einführung der Schulfürsorge beschlossen, für welche die Gemeinde monatlich 350.000 Kronen bereitstellt.
In derselben Sitzung wird auch beschlossen, dem Totengräber Johann Nichtenberger
eine monatliche
Entschädigung für allfällige Instandhaltungen am
Friedhof Gramatneusiedl aus der Gemeindekasse zukommen zu lassen.
Weiters wird das Ansuchen des »Burschenvereins Gramatneusiedl« vom 11. Dezember
1923 um Unterstützung für die Errichtung eines
Kriegerdenkmals
grundsätzlich positiv bewilligt, ohne sich jedoch auf eine bestimmte Summe Geldes festzulegen. Das Denkmal wird im September 1924
eingeweiht. ( Dokument.)

1924
Am 23. März
1924 wird die Ortsgruppe Gramatneusiedl des christlichsozialen »Zentralverbands der christlichen Textil-, Heim- und
Bekleidungsarbeiterschaft Österreichs« gegründet. Sie muss aber
unter Obmann Franz Rehaček (1891–1967) angesichts der mächtigen sozialdemokratischen Textilgewerkschaft vor Ort, der »Union der Textilarbeiter Österreichs«, ihre Aktivitäten
bereits im September
1925 einstellen.
(
Dokument.)

1924
Im April 1924 sucht
Gendarmerie-Rayonsinspektor Johann Bendl bei der
Freien Gemeinde Gramatneusiedl um eine eingeschränkte Schank- und Gastgewerbekonzession für einen Erfrischungsstand beim
Bahnhof Gramatneusiedl an. Dies wird jedoch als Konkurrenz zur im Gemeindebesitz befindlichen
Bahnhofsrestauration abgelehnt.

1924
In der Sitzung
der Gemeindevertretung von Gramatneusiedl vom 30. Mai 1924 kommt es seitens der
Gemeindevertretung »zu heftigen Angriffen u(nd) Klagen gegen das übermäßige Schnellfahren
der Automobilisten durch die Ortschaft.« Es wird beschlossen, erste
Verkehrstafeln in Gramatneusiedl aufzustellen. ( Dokument.)

1924
Am 1. Juni 1924 wird die »Gemeinnützige Bau- und Wohnungs-Genossenschaft Gartensiedlung,
Ortsgruppe Gramat Neusiedl und Umgebung« gegründet, in welcher der
1919 gegründete Verein »Garten und Kleinwirtschaftssiedlungen in Gramat Neusiedl« aufgeht.

1924
Vom 2. auf
den 3. Juni 1924 gibt es in Gramatneusiedl Einquartierungen des Militärs. Die
Freie Gemeinde Gramatneusiedl muss für eine Nacht 50 Pferde samt Mannschaft beherbergen.

1924
Im Juni 1924 findet das dreißigjährige Gründungsfest der
»Freiwilligen
Feuerwehr Gramatneusiedl« statt. Die
Freie Gemeinde Gramatneusiedl beteiligt sich daran mit einer Spende.

1924
In der Sitzung
der Gemeindevertretung von Gramatneusiedl vom 20. August 1924 wird die Beschwerde der Gramatneusiedler
Gewerbetreibenden, für welche der christlichsoziale Gemeinderat und Gewerbetreibende Josef Moldaschl (1863–1937) spricht, über ortsfremde Hausierer erörtert. In den »Arbeitslosen
von Marienthal« (Leipzig 1933, S. 15) kommen diese Hausierer als »Ratenjud« vor; diese
vor allem im Österreich der 1920er und 1930er Jahre gebräuchliche
Bezeichnung – auch abwertend verwendet – bezieht sich nicht nur auf
jüdische Hausierer und leitet sich von der bei diesen Hausierern
möglichen Zahlung in Raten her. ( Dokument.)

1924
Mit Erlass der Niederösterreichischen Landesregierung vom 5. September 1924 wird die Grenzregulierung zwischen den Gemeinden Gramatneusiedl und
Mitterndorf an der Fischa
(Niederösterreich) in Angriff genommen, wobei es sich vor allem um Grundstücke im Bereich
des ehemaligen »k(aiserlich) k(öniglichen) Barackenlagers Mitterndorf« handelt. In der Sitzung der Gemeindevertretung von Gramatneusiedl vom 24. September 1924 trifft die Gemeinde ihren prinzipiellen Beschluss, die 1915 durch das Militär enteigneten Gründe an die Gemeinde Mitterndorf an der Fischa abzutreten. Ein für den 3. Juli 1925 von der Niederösterreichischen Landesregierung angeordneter
Lokalaugenschein wird wegen Verfeindung einiger Kommissionsmitglieder auf unbestimmte Zeit verschoben; erst im Juli 1926
kann diese Angelegenheit geregelt werden. ( Dokument.)

1924
Am 7. September 1924 wird das neue Kriegerdenkmal
durch Pfarrer Friedrich Pösel (1862–1931) eingeweiht. Das mit einer gemauerten Einfriedung versehene Denkmal besteht aus einem auf einem Sockel
aufgesetzten Obelisken. Unter dem auf der Spitze aufgesetzten Adler befindet sich die Inschrift: Ƞ /
Den Opfern / des / Weltkrieges / 1914–1918 / der Gemeinde /
Gramatneusiedl / Gewidmet / vom Burschen-Verein / Gramatneusiedl /
Heimat / vergiss uns nicht!«. Darunter ist eine Tafel mit den Namen der Kriegsopfer der
Freien Gemeinde Gramatneusiedl angebracht. Für dieses Denkmal sammelte der »Burschenverein Gramatneusiedl« 15 Millionen Kronen; den Rest der Kosten von insgesamt 28 Millionen Kronen wird gemäß Beschluss vom Januar 1924 von der
Freien Gemeinde Gramatneusiedl übernommen.
1951 wird dieses Denkmal zu einem Denkmal für die Opfer des Ersten und Zweiten Weltkriegs umgestaltet.

1924
Seit Oktober 1924 gibt es wieder Amtstage in Gramatneusiedl, an denen die Bevölkerung Wünsche und Beschwerden beim Gemeindeamt beziehungsweise beim Bürgermeister persönlich vorbringen kann.

1924
Anlässlich der für diese Periode letzten Sitzung der Gemeindevertretung von Gramatneusiedl vom 28. November 1924 wird das verhältnismäßig gute Klima zwischen sozialdemokratischer Majorität und christlichsozialer Minorität offensichtlich, wenn der
Christlichsoziale Karl Pecha (?–1937), Fleischhauer, den Wunsch äußert, »daß der neue Gemeinderat ebenso arbeiten möchte, wie der alte. Niemand kann weder der bisherigen Majorität noch der Minorität etwas Ehrenrühriges nachsagen.« (Sitzungs-Protokoll zur Gemeinde-Ausschuß-Sitzung am 28. November 1924, S. (4).)

1924
In der konstituierenden Sitzung der neuen
Gemeindevertretung von Gramatneusiedl am 18. Dezember 1924 wird
Josef Bilkovsky (1871–1940) mit zehn gegen sechs Stimmen wieder zum Bürgermeister gewählt (zur
ersten Wiederwahl siehe
1921, zur Wiederwahl
1929).
Nach den Gemeinderatswahlen stehen nun elf sozialdemokratische Gemeinderäte fünf der
»Christlichsozialen Wirtschafts-, Gewerbe-, Hausbesitzer- und Bürgerpartei« (ein Wahlbündnis aus »Christlichsozialer Partei«, »Niederösterreichischem
Bauernbund« und »Christlichsozialem Volksverband für Niederösterreich«)
gegenüber. Neuer Vizebürgermeister wird der Sozialdemokrat Josef Doleček (1885–1952).
In dieser Sitzung wird auch beschlossen, dass die
Freie Gemeinde Gramatneusiedl eine Weihnachtsspende für die Armen des Ortes in der Höhe von insgesamt sechs Millionen Kronen und für Invalide zwei Millionen Kronen zuteilen lässt.
Diese Maßnahme ist auch deshalb notwendig, weil die
Arbeitslosenrate 1924 mit 44 Prozent den höchsten Wert seit Ende des Ersten Weltkrieges erreicht. Erst 1925 geht die Arbeitslosenrate rasch und markant zurück, zunächst auf fünf Prozent und 1926 bis 1929 auf vier Prozent. Für 1924 weist die Bilanz der Gemeinde Gramatneusiedl bereits
einen Überschuss von 8,178.200,00 Kronen auf, doch ist das Budget noch mit Schulden belastet.

© Reinhard Müller
Stand: Juni
2010
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