Die
Quäker in Marienthal
1935 bis 1937
»Quäker« (englisch »quakers«, Zitterer) war ursprünglich eine Spottbezeichnung für eine christliche, mystisch-spiritualistische und antikirchliche Bewegung, die Mitte des
17. Jahrhunderts in England entstand und eigentlich
»Society of Friends« (Gesellschaft der
Freunde) heißt. Durch ihre Ablehnung des Eides und jeder Form des Kriegsdienstes zählen die Quäker zu einer viel verfolgten religiösen Bewegung, werden aber andererseits auch wegen ihres Engagements für Verfolgte und Diskriminierte sowie wegen ihrer umfangreichen Hilfeleistungen geschätzt.
Im Juni 1935
kamen britische Quäker, einem Vorschlag von John Somervell Hoyland (1887–1957)
folgend,
erstmals nach Marienthal, um hier der arbeitslosen Bevölkerung hilfreich
zur Seite zu stehen. Organisiert wurde dieses »Work-Camp in Marienthal«
(Arbeitslager in Marienthal) von der »Society
of Friends in England«
(Gesellschaft der Freunde in Großbritannien) und der 1920 gegründeten »Society
of Friends in Vienna« (Gesellschaft der
Freunde in Wien), wobei fünfundzwanzig arbeitslose Marienthaler im
Rahmen des
Freiwilligen Arbeitsdienstes mit Studenten aus Großbritannien
gemeinsame Projekte realisieren. Bis zu ihrer Abreise im September 1935
waren insgesamt siebenundsechzig englische Studenten in Marienthal tätig
gewesen, untergebracht
im ehemaligen
Heim der Kinderfreunde.
Am Rande dieser Aktion soll auch
Marie Jahoda
(1907–2001) tätig gewesen sein. Im Wesentlichen wurden
allgemein nützliche Projekte betrieben: Die Mitglieder des work-camps
schotterten Feldwege und hoben Gräben sowie im Sommer 1937 ein –
allerdings nie benutztes – Kinderbad beim ehemaligen
Isolierspital
aus. Außerdem wurden im Sommer 1936 neue Kleingartenanlagen angelegt.
Zuletzt kamen die Quäker im Sommer 1937 nach Marienthal.
Diese Begegnung mit den Quäkern wurde für
Marie Jahoda später von Bedeutung, denn es war unter anderem die
bekannte britische Quäkerin sowie Rechts- und Sozialreformerin Margery Fry
(1874–1958), die sich
1937 für ihre Freilassung aus der politischen Haft massiv einsetzte.
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Marienthaler Arbeiterinnen und Arbeiter sowie englische Quäker vor dem
Arbeiterheim Marienthal (links hinten) und dem
Heim der Kinderfreunde (rechts hinten) im Zuge einer Unterstützungsaktion britischer Quäker für Marienthal.
Foto
[Sommer 1936], schwarz-weiß, 8,65 X 13,57 cm.
Quelle: Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich (Graz), Walter Dienstl:
Bildersammlung »Marienthal-Gramatneusiedl«, Signatur 43/229.
© Copyright |
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Marienthaler Arbeiter und englische Quäker beim Bau des Kinderbades beim
Isolierspital
Gramatneusiedl.
Laserkopie eines Fotos
[Sommer 1937], schwarz-weiß, 19,07 X 19,29 cm.
Quelle: Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich (Graz), Walter Dienstl:
Bildersammlung »Marienthal-Gramatneusiedl«, Signatur 43/513.
© Copyright |
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Marienthaler Kinder, die von der Quäkerin Mary Campbell
(verheiratete Schicker;
?–2003)
betreut wurden.
Foto Sommer 1937, schwarz-weiß, 6,08 X 8,56 cm.
Quelle: Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich (Graz), Virtuelles
Bildarchiv »Marienthal«, Barbara Jerabek:
Bildersammlung,
Signatur
47/035.001.005a.
© Copyright |
© Reinhard Müller
Stand: Juni
2010
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