Durchstich der Kirchenwiese in Gramatneusiedl zwecks Errichtung der neuen Baumwollspinnerei von Philipp Haas (1791–1870) in Mitterndorf an der Fischa im Sommer 1845
Eintrag von
Anton Schallerl (1780–1862) in:
Denkbuch d[er] Pfarre Moosbrunn. Band 1, S. 388–389.
Transliteration:
Reinhard Müller.
388
Durchschnitt durch die
Grammatneusidler Kirchenwiese
pag[ina] 346.
Da Herr Philipp Haas
Mühlbesitzer von der Erlaubniß eine neue Fabrick zu erbauen keinen
Gebrauch machte bis zum Jahre 1845 so erlosch diese Erlaubniß. Deßen
ungeachtet, ließ er im Sommer 1845 den Platz zur neuen Fabricke
abstecken, die Grundfeste ausgraben, einen neuen Kanal graben, und um
den Durchschnitt tiefer graben zu können, ließ er die
Fischa auf die Kirchenwiese leiten, welche zum Theil schon gemähet
war. Dadurch wurde die Wie der größte Theil des Heues ver
weggeschwemmt, das übrige so wie die Wiese selbst verschlämmt. Er that
dieß alles eigenmächtig, ohne Jemanden darum zu begrüßen. Zugleich ging
für die Wassergewerke vieles Wasser verlohren, wodurch auch diese in
beträchtlichen Schaden geriethen. Kirchenvorsteher, An alle
Anrainer, und das Müllerhandwerk führte Beschwerde beim k[aiserlich]
k[öniglichen] Kreisamt gegen die Gewalt, welches für den 9 August eine
Kreis kreisämtliche Kommission zu
Mitterndorf [an der Fischa;
Anm.
R.M.] wegen Vertiefung des
Fischadurchschnittes anordnete. Allgemein kan gab man seinen
Unwillen gegen diese Gewaltthat zu erkennen, forderte Einlassung der
Fischa in den 1832 gezogenen Durchschnitt, u[nd] die Kirchenvorst
Entschädigung des Pachtnehmers der Kirchenwiese, u[nd] verweigerten die
Anrainer die Tieferlegung, weil dadurch die Grundstücke nicht nur an
Quantitat, der Erbrüche wegen, welche schon die 4 Schuhe tiefe Grabung
verursachten sondern auch an Qualitat verlieren müßten, indem sie zu
trocken gelegt würden. Nur mit
389
sehr vieler Mühe konnte es
Herrn Haas begreiflich gemacht werd und er bewogen werden den
Pachtnehmer 50 f[lorin] M.M. [d.i. Konventionsmünze;
Anm.
R.M.] Ersatz zu leisten, und die
Fischa
wieder in den Durchschnitt einzulassen, bis des tieferen Stiches wegen
eine neuer neue Kommission würde abgehalten werden.
Unterm 20 7ten Dezember
1845 ersuchte die Herrschaft Säub
Seibersdorf noch den Herrn Haas um eine Zusammentrettung aller Anrainer
auf den 20 Dezember zu einer gütlichen Ausgleichung an. Dabey erschienen
der Pfarrer [d.i.
Anton Schallerl;
Anm.
R.M.],
der Vogtey-Commissar der Oberkirchenvater, die
Gemeinde von Grammatneusidl im Ausschuße mit ihrem Verwalter etc.
etc. Die Anrainer insgesamt gaben in keiner Rücksicht die Tieferlegung
des Durchschnittes zu.
Da die Gemeinde die
Grammatneusidl die Kirchenwiese immer wie
ihr Eigenthum behandelten, und nur soviel Pacht gaben, als ihr
gerade beliebig war, auch nicht zu erwarten stand, daß sie soviel ge
Pacht geben werde, als die Wiese wirklich werth sey ist, und da
ferner, wenn Haas wirklich tiefer graben darf, beständigen Reibungen
nicht auszuweichen seyn wird, und da noch weiters durch die
Tiefergrabung die Wiese sowohl an Quantitat als auch Qualitat einen
immer größeren Schaden erleiden müßte, somit also auch die Kirche, – so
trugen die drey Kirchenvorsteher dem Philipp Haas die Kirchenwiesen zum
Verkaufe an, wenn es die hohe Regierung bewilligen würde.
Faksimile:
388, 389.
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