Die 1848er-Revolution in Gramatneusiedl im Oktober 1848
Eintrag von Anton Schallerl (1780–1862) in:
Denkbuch d[er] Pfarre Moosbrunn. Band 1, S. 409–410.
Transliteration:
Reinhard Müller.
409
Wien u[nd] Ungarn in
Belagerungsstand erklärt. Am 6. Oktober der Kriegsminister [Theodor]
Graf [Baillet von] Latour schmächlig ermordet. Die Grenzen abgesperrt
also auch der Verkehr. Die Ungarn glaubten und man befürchtete derowegen
eine ungewöhnliche Theuerung.
Am 9. Oktober kamen die
Kroaten unter ihrem Ban Jelaschütz [d.i. Josip grof Jelačić de
Bužim; Anm.
R.M.] mit k[aiserlich] u[nd] k[öniglichen]-monthuren
nach Schwadorf, und zogen von da und über Ebergassing und Himberg vor
Wien in langen Zügen. Am 10ten ging von Wien die Eisenbahn
nicht mehr nach Bruck [an der Leitha;
Anm.
R.M.]. In Himberg Lager der Croaten. Hielten
teuflische Manneszucht. Die Ungarn schon bei Bruck. Am 10ten
verbreitete sich hier ein großer Lärm, daß 70,000 Ungarn unter [Lajos]
Kossuth in Fischament [d.i. Fischamend;
Anm.
R.M.]
angekommen wären, und Alles was Wegtragen können mit sich nehmen, auch
das ander Geschlecht arg behandeln. Daher am 11 u[nd] 12 allgemeine
Flucht von Weibern, Kindern und Habseligkeiten in die Gebirge, und
Vergrabung der Habseligkeiten. Große Furcht. Indessen bei den Radikalen,
die es auch hier wie überall, besonders unter den
Fabricksleuten, Freude über die Erscheinung der Ungarn. Die
Schwarz-gelben (Conservativen) mußten schweigen, wenn sie nicht
mißhandelt werden wollten.
Am 11 fingen die
Vorspannen und Lieferungen an Vieh, Salz, Brod Heu, Stroh und auch
Kerzen etc. an, sie waren stark und drückend, besonders was die Vorspann
betrifft. Indessen blieb der Körnerpreis mäßig. Waitz W[iener] W[ährung]
9 f[lorin] 45.
Roggen 6.15
Gerste 4.18
Hafer 3.36
Waitz Schaube 8 f Roggen
12 f. 30.
Futterstroh das Mandl 1 f
9.
Erdäpfel 2 f. Der Wein
sehr gut.
Es wurde für die Lieferung
ins Lager Vergütung versprochen. Am 18 und 21 hörte man hier und bei der
Cholera Kapellen [in Moosbrunn; Anm.
R.M.]
eine furchtbare Kanonade, selbst Kleingewehrfeuer von Wien her. Am Abend
der Himmel blutig roth vom Brand in Wien. Am 29. kommen die Ungarn nach
Wienerherberg, Rauchenwart bis Ebergassing. 30. Mittags Schlacht gegen
sie, furchtbare Canonade war hier zu hören bis Abends. Von 30
bis 31 früh wilde Flucht derselben. Sie berührten aber nicht Moosbrunn
u[nd]
Grammatneusidl. 31. Wien mit heftiger Canonade eingenommen. Von
allen Waffengattungen wurde hier u[nd] in der Umgegend requirirt.
410
31 Abends 4 Uhr hier
Einquartirung bey 250 Mann leichte Dragoner von [Karl] Baron Kreß [von
Kressenstein]. Stab in
Grammatneusidl, Feldpater lag bei Johann Biberhofer Nro. 32 [heute
Oberortsstraße 24; Anm.
R.M.]. Er hieß Georg Roschitz, Weltpriester der
Zengger Diözese [Ungarn; heute Senj, Kroatien; Anm.
R.M.].
Die Offiziere speiseten, nehmlich die in Neusidl lagen, in der
Fabrick, kamen aber aus Umgegend viele noch dahin. Auch in Velm
starke Einquartirung lauter Cavallerie.
Dezember 11ten
nach Moosbrunn 190 Mann Dragoner vom Fiquelmont [d.i. Karl Ludwig Graf
Ficquelmont; Anm.
R.M.] Regiment. Im Pfarrhof lag einquartirt Herr
Oberstwachtmeister Petitsch, gebürtig von Oedenburg [heute Sopron,
Ungarn; Anm.
R.M.]
mit 4 Mann und 6 Pferd u[nd] einer Kalesche. Am 13. Abend 8 kam noch ein
Batterie Geschütz hier an mit Bespannung endlich am 14. ½7 Uhr alles
nach Ungarn abmarschirte aus allen 3 Gemeinden. Zum Glück die Felder von
Schnee frei und trocken, auch nicht kalt, so konnte das Vieh auf die
Saaten getrieben werden, bei der Nacht mußte es in Scheuern u[nd]
Schuppen stehen, und viel Kälte leiden während die Militar P[f]erde in
den Ställen standen. Großer Futterstrohmangel da das Militar sehr viel
für ihre Pferde verbrauchte u[nd] alles hernahm was es nur fand, da war
also der Umstand, daß die Saaten offen u[nd] trocken lagen u[nd] es beim
Tage nicht kalt war, ein wahres Glück.
Faksimile:
409, 410.
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