Der Zustand der
Kirche Sankt Peter und Paul im Jahr 1870
Eintrag von Johann Scheller (1840–1900) in:
Denkbuch d[er] Pfarre Moosbrunn. Band 1, S. 441–443.
Transliteration:
Reinhard Müller.
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1870
Filialkirche
Grammatneusiedl.
Traurig aber wahr, daß die
Kirche zu Grammatneusiedl im Innern u[nd] Außern eher einem anderen
Locale, als einer Kirche gleicht. Von Außen ist das Mauerwerk fast ganz
abgefallen u[nd] die Weiße ist in Schwarz verwandelt. Das Kirchendach
allseitig bewachsen von Moos, die Schindeln größtenteils verfault, das
ganze Dach löcherig, so daß die Näße, der Regen durch Dach u[nd] Gewölbe
im Kirchengewölbe zum Vorschein kommt u[nd] hie u[nd] da große Flächen
von Näße nun nicht verschwinden. Im Innern standig das Mauerwerk im
argen Zustande. Die Mauer großenteils von der Näße abgefallen u[nd]
abgeschunden, Alles voll Staub u[nd] Spinnerweben, die Fenster von
Schmutz undurchsichtig. Mit Einem Worte wer halbwegs etwas besseres
gesehen, der fühlt sich in dieser Kirche förmlich unheimlich. Die
Bilder, Altäre, Meßkleider suchen vergebens ihresgleichen.
Was nun anfangen? Die Kirche arm wie eine
Kirchenmaus, Wohlthäter sind selbst mit einer Diogeneslaterne nicht zu
finden.
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An einem Sonntage während
der Osterzeit hielt ich nach vorhergegangener Predigt eine Ansprache an
die Andächtigen, schilderte ihnen den traurigen Zustand der Kirche, u[nd]
alles dessen was zur Kirche gehört u.s.w. u[nd] die Armut der Kirche,
die sich selbst nicht helfen kann, wenn nicht durch milde Gaben u[nd]
Wohlthäter ihr geholfen wird. Da nun die Gemeinde, wie ich mehrseitig
erfuhr auch eine große Kirchenfahne haben wollte u[nd] für
Neuanschaffung gerne etwas besteuern wollte, so versprach ich heute
nachmittags mit einem Kirchenvater von Haus zu Haus zu gehen u[nd] Gaben
sowohl zur Renovirung im Innern der Kirche, als auch zur Beischaffung
einer großen Kirchenfahne einzusammeln. Obwohl ich an selben Tage
leidend, u[nd] vom Fieber geplagt war, so unterzog ich mich dennoch
dieser Last, u[nd] vergaß alle Schmerzen ob des schönen Resultates bei
der Sammlung. Wir brachten bei 160 Fl[orin] zusammen.
Ich fuhr nach Wien u[nd]
bestellte einen großen Kirchenfahn. Ein wahres Prachtstück von rother
Seide, mit 6 Quasten, in Mitte der Bahn das Bild u[nd] z[war] an der
Vorderseite das Bild des »hl. Petrus u[nd] Paulus« als die
Kirchenpatrone auf der andren Seite die »unbefleckte Empfängnis Mariä«
u[nd] obenauf in Goldschrift das Jahr 1870. Diese Kirchenfahne wurde bei
der kanonischen Visitation durch den Hochw[ürdigen] Herrn Dechant Josef
Faitsch feierlich eingeweiht.
Mit dem von der Fahne noch
erübrigte Geld wozu aus der Gemeindekassa das Mangelnde ersetzt wurde,
wurde die Kirche im Innern renovirt u[nd] z[war] das Gewölbe oberhalb
des Hochaltars wurde himmelblau gefärbt u[nd] mit goldgeben Sternen
besät u[nd] der übrige Theil gefärbelt, das Gewölbe hie u[nd] da mit
blauen Risetten versehen. Die Altäre rein abgewaschen, desgleichen die
Stühle sämtliche Fenster u[nd] Thüren, so daß dieß Kirchlein im Innern
recht nett anzuschauen war. Eine Wohlthäterin aus Mariental ließ an den
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2 kleinen Seitenaltären
die Vorderfront marmoriren u[nd] zwei andere Wohlthäter spendeten je ein
Bild zur Kirche. Bis vor den hohen Pfingstfeiertagen war das Innere der
Kirche wie umgestaltet u[nd] lieblich zu sehen. Die ganze Gemeinde
ergötzte sich nun an der Schönheit. Wie man’s anpackt, so geht’s.
Faksimile:
441, 442, 443.
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