<<<

M[arie] J[ahoda]: Der Zentralausschuß

In: Der Schulkampf. Organ des Bundes sozialistischer Mittelschüler Österreichs (Wien), 1. Jg., Nr. 3 (Dezember 1925), S. 2.

Die Veröffentlichung auf dieser Website erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Lotte Bailyn, Belmont (Massachusetts).

S. 2

Der Zentralausschuß


Am 28. November fand die 3. Sitzung des Zentralausschusses der Wiener Schulgemeinden statt. Der Zentralausschuß, eine alte Forderung der sozialistischen Mittelschülerbewegung, besteht nun trotz allen Anfeindungen. Es gibt jetzt endlich die Körperschaft in der Schulbehörde, in der Lehrer und Schüler über gemeinsame Angelegenheiten beraten. Ein Ziel ist erreicht!
Freilich waren wir gezwungen, Kompromisse zu schließen. Der jetzige Zentralausschuß bleibt hinter dem, den wir uns vorstellten, weit zurück. Wir spüren bei unseren Besprechungen zu sehr die Bevormundung durch den Stadtschulrat, denn oft hat man den Eindruck, daß ein paar Erwachsene mehr zur Beobachtung der Schüler mit ihnen zusammenkämen, als um mit ihnen zu arbeiten. Aber alles, was gegen diese Form des Zentralausschusses gesagt werden kann (es ist das sehr viel!), werden wir solange ungesagt lassen, als selbst dieser Zentralausschuß nicht ganz gesichert ist. Daß es vorläufig noch nötig ist, auf der Hut zu sein, zeigt uns eine Erklärung, die unsere Gegner abgaben. Man sprach über unsern Vorschlag, daß der Zentralausschuß statt der Lehrerkonferenz die letzte Instanz in Disziplinarangelegenheiten sein solle. Da erklärte ein Mittelschüler: »Wenn dieser schädliche Gedanke zur Ausführung kommt, wird sich der größte Teil der Wiener Schulgemeinden von jeder allgemeinen Arbeit zurückziehen.« Man kann sich die Situation kaum ausdenken: Ein Schulgemeindevertreter wehrt sich im Zentralausschuß gegen die Einflußnahme dieser höchsten Körperschaft auf wichtige Fragen. Die Gruppe von Zentralausschußfeinden könne ihre Stellungnahme nur mit ein paar Phrasen begründen: Sie sagen, es sei peinlich, persönliche Angelegenheiten vor so großer Oeffentlichkeit zu bringen. Da aber nur auf Wunsch eines Beteiligten eine Sache an die letzte Instanz kommen kann, kämen bei solcher Regelung nur die Dinge zur Behandlung durch die 3. Instanz, den Zentralausschuß, die dem Beteiligten so wichtig sind, daß er seine Scheu überwindet. Aber trotzdem ist diese Argumentation unserer Gegner schlau: sie wissen, daß das, was sie in den Schulen, die sie erobert haben, treiben, die Oeffentlichkeit scheuen muß. Wenn es daher gilt, dem Zentralausschuß zu schaden, dann ist ihnen auch ein schwaches Argument gut genug!
Solange unter den Schülern mit solchen Argumenten gegen den Zentralausschuß gekämpft wird und solange jemand an sie glaubt, müssen wir für ihn kämpfen, ohne aber zu vergessen, daß er in der jetzigen Form nur ein Provisorium sein kann und wir nicht mit allem, was dort geschieht und wie es dort geschieht, einverstanden sein können.
Von den Ereignissen der Sitzung erzählen wir nur das Wichtigste; vieles wird ja schon bekannt geworden sein. Zum Tagesordnungspunkt Disziplinarwesen wurde, abgesehen von der erwähnten Erklärung der Zentralausschußgegner, nichts sehr wichtiges gesagt. Alle Redner waren für den Mehrheitsvorschlag des Ausschusses, der uns genug Spielraum für wertvolle Arbeit an den Schulgemeinden läßt. Die Frage der Einbeziehung der Untermittelschüler in die Schulgemeinde, zu der sehr viel zu sagen wäre, wurde ziemlich oberflächlich behandelt. In der Diskussion ging man überhaupt nur auf einen Punkt ein, und zwar auf die Frage, wann die Klassengemeinden beginnen sollen. Wir sind selbstverständlich dafür, schon die 1. Klasse der Schulgemeinde einzugliedern. Es wird notwendig sein, diese Frage noch ausführlich zu behandeln. Unter dem Punkt »Allfälliges« wurden die wichtigen Beschlüsse gefaßt: Ein Ausschuß für Schulheimgründung wurde eingesetzt. Der Abbau der Wandertage, der heuer durch Verordnung verfügt wurde, ist besprochen worden. Hoffentlich veranlaßt der Stadtschulrat bald die Aufhebung der betreffenden Verordnung!
Unsere Genossen haben bei allen besprochenen Fragen unsere Ansicht vertreten. Widerspruch erhob sich nur selten. Ein genaues Bild über die Meinung des Zentralausschusses läßt sich aber nicht gewinnen, da bei seiner heutigen Einrichtung nicht abgestimmt werden kann und viele Delegierte ihre Meinung nicht äußern.
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß im Zentralausschuß, durch den Ansichten über die Vertreter an alle Lehrer und Schüler herangebracht werden können, Wertvolles geleistet werden kann. Wir hoffen, daß bald wieder eine Sitzung einberufen werden wird!
M.J.