Marie Jahoda: Arbeitsfreude, Kapitalismus, ArbeiterbewegungIn: Arbeit und Wirtschaft (Wien), 5. Jg., Nr. 8 (15. April 1927), Sp. 317-320.Die Veröffentlichung auf dieser Website erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Lotte Bailyn, Belmont (Massachusetts). |
Von Marie Jahoda
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die Produktionsräte, deren Erfüllung die Arbeiter am Produktionsprozeß interessieren und dadurch arbeitsfreudiger machen soll. Die Forschungen der modernen Psychologie versuchen eine wissenschaftliche Begründung dieser instinktiv gewonnenen Erkenntnisse, und die in letzter Zeit so oft versuchte Synthese von Psychologie und Sozialismus (es sei nur an De Mans1 Vorträge in Wien erinnert) liefert gerade auf dem Gebiet der Arbeitsfreude interessante Resultate.Sp. 319
Arbeitsfreude, andererseits bedeutet Arbeitsfreude im Kapitalismus eine große Gefahr für jede revolutionäre Bewegung. Revolutionäre Einstellung kommt aus Unlustgefühlen, Arbeitsfreude bringt Zufriedenheit mit dem gegenwärtigen Zustand, Konservativismus. In diesem Dilemma haben die reichsdeutschen Gewerkschaften im Falle der »Dinta«2 (das ist ein psychotechnisches Institut der Großindustrie) gegen den Burgfrieden entschieden. Denn die Großindustrie versucht hier sich eine Arbeiteraristokratie heranzuziehen, die nach einer Lehrzeit, wie man sie sich schöner nicht vorstellen kann, den Zusammenhang und die Solidarität mit der Arbeiterschaft verlieren würde. Die Stellung der Organisationen in diesem speziellen Falle enthält zugleich die Lösung des ganzen Problems: Im revolutionären Kampf um die Arbeitsfreude, das ist im Kampf gegen den Kapitalismus, im Mitarbeiten in der Bewegung liegt die einzige Möglichkeit der Arbeitsfreude, die heute schon allen Arbeitern zugänglich ist.* * *
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Alter |
befriedigt | |
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15 |
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74 Prozent |
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16 |
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75 " |
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17 |
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62 " |
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18 |
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56 " |
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19 |
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54 " |
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20 |
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50 " |
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21 |
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50 " |
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22 |
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42 " |
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23 |
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29 " |
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Beruf nicht befriedigt, warum nicht? antwortete eine jugendliche Hutmacherin zum Beispiel: »Weil Hüte eigentlich überflüssig sind.« Oder eine Hilfsarbeiterin: »Weil mir das Herz weh tut, wenn ich immer bei den Maschinen stehen muß und fleißig rackern kann und andere können mit den feinsten Autos Reisen machen.« Ein 17jähriger Stockdrechsler schreibt: »Weil er mit dem Worte ›muß‹ verbunden ist und das Gehirn tötet.«* * *