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Brief von Karl August Wittfogel an Ernest Manheim in Kansas City, Mo. New York, N.Y., am 5. März 1939 Transliteration and comment byReinhard Müller [1] 414 West 121st Street, New York, N.Y. 5. März 1939 Ich habe mich in der letzten Zeit bemüht, etwas für unseren gemeinsamen Bekannten Dr. Eugen Fischer [2] - jetzt Oslo - zu tun. Ich habe mit dem Emergency Committee [3] gesprochen, die ihn auf ihre Liste für die Vermittlung von Vorträgen gesetzt haben. Was mehr? Er schreibt mir, dass Sie für ihn Schritte unternehmen. Ist das richtig, und falls ja, was tun Sie, das ich eventuell unterstützen könnte? Das beste wäre natürlich, wenn Sie ihn erst einmal, selbst wenn nur provisorisch, dort in Kansas City unterbringen könnten. Dass ich mich über die Angelegenheit E[rnst] F[ischer] hinaus für Ihre Arbeit interessiere, brauche ich kaum zu betonen. Ich habe damals - mit Kritik, aber mit grossem Interesse - Ihren Beitrag zu unserem Familienbuch gelesen. [4] Meine chinesischen Studien führen mich immer wieder auf Probleme auch der Familiensoziologie zurück. Was tun Sie? Ich würde darüber gern ein oder zwei Worte von Ihnen hören. Im Falle Fischer ist rasche Antwort natürlich sehr erwünscht. Herzlichen Gruss inzwischen. Ihr ergebener
Karl August Wittfogel Das Original dieses Briefes befindet sich im Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich, Graz, Nachlass Ernest Manheim, Signatur 31/1. Karl August Wittfogel (*Woltersdorf bei Hannover 1896, †New York, N.Y. 1988), amerikanischer Sozialwissenschaftler und Sinologe deutscher Herkunft; emigrierte 1934 in die USA; 1934-1939 Mitarbeiter des Institute of Social Research in New York, N.Y., 1939-1947 Director of Chinese History Project am Institute of Pacific Relations und Institute of Social Research, 1947-1966 Professor of Chinese History an der University of Washington in Seattle, Wash. Anm. R.M. [2] Recte Ernst Hugo Fischer (*Halle an der Saale 1897, †Ohlstadt 1975), deutscher Philosoph; emigrierte 1938 nach Norwegen und weiter nach Großbritannien; 1925-1938 Privatdozent der Philosophie an der Universität Leipzig; Mitglied des national-revolutionären Zirkels um Ernst Jünger (1895-1998); 1938 Direktor der Forschungsabteilung des Institutt for Samfunnsforsking og Arbeidslære in Oslo; in Großbritannien Forschungstätigkeit; 1956 Rückkehr in die BRD, außerplanmäßiger Professor der Philosophie an der Universität München. Anm. R.M. [3] Emergency Committee in Aid of Displaced Foreign Scholars: 1933 in New York gegründete Flüchtlingsorganisation für Universitätsangehörige aus Deutschland (später auch aus Österreich); 1945 aufgelöst. Anm. R.M. [4] Vgl. Ernest Manheim: Beiträge zu einer Geschichte der autoritären Familie, in: Studien über Autorität und Familie. Forschungsberichte aus dem Institut für Sozialforschung. Paris: F. Alcan 1936 (= Institut für Sozialforschung. Schriften. 5.), S. 523-574. Anm. R.M. |