[Anonym]

In dem Dorfe Grammat-Neusiedl

in: Morgen-Post (Wien), 6. Jg., Nr. 230 (21. August 1856), S. 2.

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(In dem Dorfe Grammat-Neusiedl,) zwischen Himberg und Schwechat gelegen, brach am Abend des 18. August nach 9 Uhr Feuer aus, das so rasch um sich griff, daß in kurzer Zeit 17 Häuser, mehrere Scheunen und viele sogenannte Stroh- und Heutristen von den Flammen verzehrt wurden. Das brennende Dorf gewährte einen schauerlich schönen Anblick und von weit und breit kamen Personen herbeigeeilt, um dem Unglücke Einhalt zu thun. Hingegen zeigte sich unter den Bauern und Landleuten, die aus Neugier in der Nähe der Brandstätte erschienen, eine schreckliche Trägheit und Gleichgiltigkeit gegen den Schaden, den die Eigenthümer der brennenden Gebäude erlitten. Die Meisten dieser trägen Menschen waren nicht zu bewegen, eine Kanne Wasser herbeizuholen. Unter denen, welche sich mit größter Selbstverleugnung an den Löscharbeiten betheiligten, bemerkten wir besonders einen starken hochgewachsenen Mann in einen Regenmantel gehüllt, den Kopf mit einem Taffethute[1] bedeckt. Dieser stürzte sich mit einer Buttenspritze mitten in die Flammen und es gelang ihm, dem Wüthen des Elementes auch theilweise Einhalt zu thun. Auf unsere Erkundigungen nach dem Namen des wackern Mannes erfuhren wir, daß es der Eigenthümer der Herkulesbäder[2] in Perchtholdsdorf [d.i. Perchtoldsdorf; Anm. R.M.] Herr Chazel, gewesen. Der durch den Brand verursachte Schaden ist beträchtlich, da namentlich auch viele Schweine, Pferde und Kühe in den Flammen zu Grunde gingen.

[1] Taffethute: Hut aus Taft. Anm. R.M.

[2] Herkulesbäder: 1852 richtete Casimir Chazel in der aufgelassenen Kattundruckerei seines Vaters Pierre Chazel eine Badeanstalt, das »Herkulesbad« im heutigen Knappenhof, Perchtoldsdorf, Wiener Gasse 17, ein. Anm. R.M.