Lotte Bailyn, geborene Lazarsfeld

1930–

Lotte Franziska – benannt nach einer verflossenen Liebe ihres Vaters – wurde am 17. Juli 1930 als Tochter von Marie Jahoda-Lazarsfeld und Paul Lazarsfeld in Wien geboren. Schon früh wurde Lotte zum Beobachtungsobjekt: einmal bei einem Forschungsprojekt von Charlotte Bühler (1893–1974), die damals gerade ihre Babytests entwickelte, ein andermal, als Marie Jahoda und ihr Bruder Fritz Jahoda einen Kurs für Musikwahrnehmung bei Kindern abhielten.
Seit 1932 wuchs Lotte bei ihrer – nach der Trennung von Paul Lazarsfeld – alleinerziehenden Mutter auf, unterstützt und betreut von ihrer Großmutter Betty Jahoda (1881–1967) und ihrer Tante Rosi Kuerti (1905–2004), geborene Jahoda. Die Großmutter war es auch, die sich während der Haftzeit Marie Jahodas um Lotte kümmerte. Als Marie Jahoda im September 1937 Österreich verlassen musste, wurde Lotte in Paris von ihrem Vater abgeholt, der sie zu sich in die USA nahm, wo sie von ihrem Vater und dessen Mutter Sofie Lazarsfeld erzogen und betreut wurde. Diese Trennung sollte nur für ein Jahr sein, bis Marie Jahoda in England Fuß gefasst hätte. Der Zweite Weltkrieg zerschlug diesen Plan: Als Marie Jahoda im April 1945 endlich in die USA reisen konnte, waren mehr als siebeneinhalb Jahre vergangen und Lotte zu einem fast fünfzehnjährigen Mädchen herangewachsen. Doch es war nicht eine typisch US-amerikanische Jugendliche, der Jahoda begegnete: »Sie war nicht so sehr amerikanisiert, denn der Paul hatte inzwischen eine Österreicherin [d.i. Herta Herzog, verheiratete Lazarsfeld, verheiratete Massing] geheiratet, und sie haben zu Hause deutsch gesprochen, so daß sie mit ihrer österreichischen Abstammung nicht ganz gebrochen hat.«1
1952 heirate Lotte Lazarsfeld den Historiker Bernard Bailyn (1922–), heute emeritierter Adams University Professor and James Duncan Phillips Professor of Early American History der Harvard University. Aus der Ehe stammen die Kinder Charles David Bailyn (1959–), heute Professor of Astronomy, und John Frederick Bailyn (1962–), heute Professor of Linguistics (Slawistik).
Lotte Bailyn wurde ebenfalls eine international anerkannte Wissenschaftlerin. Sie studierte Mathematik und Psychologie am College in Swarthmore, Pennsylvania, wo sie ihren B.A. (Mathematics) machte, danach Psychologie am Radcliffe College der Harvard University, wo sie 1956 ihren Ph.D. (Social Psychology) erhielt. Seit 1970 ist sie Mitglied der M(assachusetts) I(nstitute of) T(echnology) Sloan School of Management, wo sie als Full Professor of Organizational Psychology and Management lehrt und forscht.

1 Steffanie Engler und Brigitte Hasenjürgen: Biographisches Interview mit Marie Jahoda, in Marie Jahoda: »Ich habe die Welt nicht verändert«. Frankfurt/Main–New York: Campus Verlag 1997, S. 101–169, hier S. 122.

© Reinhard Müller -- Graz, im Oktober 2006

LOTTE BAILYN
Beobachtungsobjekt
Musikwahrnehmungskurs
Trennung
Charles Bailyn
John Bailyn