[Anonym]
Exp[onat] N[umme]ro 474. F[ranz] X[aver] Wurm, Ingenieur und Mechaniker im k[aiserlich] k[öniglichen] Haupt-Münzamte zu Wien
in [anonym]: Bericht über die zweite allgemeine österreichische Gewerbs-Producten-Ausstellung im Jahre 1839. Wien: Aus der k.k. Hof- und Staats-Aerarial-Druckerei 1840, S. 186–189.
[Titelblatt]
Bericht
über die
zweite
allgemeine österreichische
Gewerbs-Producten-Ausstellung
im
Jahre 1838.
Wien 1840.
Aus der k[aiserlich] k[öniglichen] Hof- und Staats-Aerial-Druckerei.
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Exp[onat] N[umme]ro 747. F[ranz] X[aver] Wurm, Ingenieur und Mechaniker im k[aiserlich] k[öniglichen] Haupt-Münzamte zu Wien.
Von besonderer Vorliebe für Physik, Mechanik und Technologie eingenommen, fand derselbe in dem Geschäftskreise seines Oheims, Rad- und Hammergewerken zu Hüttenberg, so wie bei Johann Türk zu Guttaring in Kärnthen zuerst, sowohl zum Studium der Mechanik, als zu mancherlei berg- und hüttenmännischen Ausführungen Gelegenheit.
Die Herstellung mehrerer Sackpumpen und Feuerspritzen ohne Stiefel und ohne Kolben, Wasserräder und Schöpfwerke, Paternosterwerke und Wasserkünste, gehörten
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zu seinen ersten Leistungen, die sich durch Originalität und entsprechenden Effect auszeichneten.
Sein rastlos thätiger, immer nach neuen Ideen strebender Geist drängte ihn, sich um den im Jahre 1810 von der französischen Regierung mit Einer Million Franken für die Erfindung und Ausführung der besten Flachsspinn-Maschine festgesetzten Preis in Concurrenz zu setzen.
Die kurz darauf eingetretenen politischen Umwälzungen machten zwar dem großen Preis-Concurse in Paris ein Ende. Der Herr Aussteller brachte jedoch beharrlich die bereits aufgefundene Idee einer Flachsspinn-Maschine zur Ausführung, erkannte aber bald, daß dieselbe nur dann eine nützliche und fabriksmäßige Anwendung finden könne, wenn ihr noch ein Maschinen-System für die Vorbereitung des Flachses zum Verspinnen beigegeben würde, dessen Ausführung ihm nach mehrjähriger Anstrengung glücklich gelang. Mit den von ihm erfundenen Maschinen-System wurde auch wirklich in der Nähe der Residenzstadt [d.i. Wien; Anm. R.M.] eine Flachsspinn-Fabrik errichtet, die zwar sehr erfreuliche Resultate lieferte, wegen ungünstiger Verhältnisse jedoch in wenigen Jahren wieder aufgegeben wurde.
Eben dieses Maschinen-System wurde später mit dem besten Erfolge auf die Vorbereitung und Verspinnung der unfilirbaren Seidenabfälle, nämlich der so genannten Moresken angewendet, und in Wiener-Neustadt im Großen ausgeführt, wo noch heute die schönsten Seidengespinnste, die sich durch vorzügliche Glätte, Gleichheit und Glanz auszeichnen, in einer Feinheit von N[umme]r 80 bis über Nr. 200 erzeugt werden. Gleichzeitig dehnte der Herr Aussteller seine erweiterten Kenntnisse im Gebiethe der Mechanik auch
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auf andere Gegenstände aus, und erwarb sich einen so ehrenvollen Ruf, daß ihm selbst von ausgezeichneten Etablissements des Auslandes Bestellungen zukamen.
Unter den verschiedenartigsten Leistungen werden hier nur eine Hanfseil-, Spinn- und Schlagmaschine, eine Perlen-Stickmaschine und eine Kreissägmaschine, eine Schreib-, Flachsspinn-, Weis- und Fournir-Kreissägmaschine für das hiesige [d.i. Wiener; Anm. R.M.] Institut zur Beschäftigung erwachsener Blinden; neue Gebläs-Düßen zu Hochofengebläsen mit erhitzter Luft; ein neues Maschinen- und Manipulations-System zur Erzeugung von Kopfnägeln auf kaltem Wege (ohne Feuer und ohne Hammerschlag); Münzplatten-Justirungs-Maschinen und eine Drahtseil-Spinnmaschine, worauf Drahtseile von mehr als 500 Klafter Länge zum Behufe der Schachtförderung in Bergwerken, erzeugt werden, nahmentlich erwähnt.
Das Vertrauen der k.k. Hofkammer in Münz- und Bergwesen, berief den Herrn Aussteller endlich zur Herstellung des ganzen Maschinen- und Werkbaues im k.k. neuen Haupt-Münzgebäude, welches er durch die Ausführung der mannigfaltigsten, darunter mehrerer sehr sinnreichen Maschinen vollkommen rechtfertigte, deren Originalität selbst die Aufmerksamkeit des Auslandes auf sich gezogen hat. Dem Herrn Aussteller wurde von der russischen Regierung der ehrenvolle Auftrag zu Theil, für die dortige Münze eine Münzplatten-Justir-, eine Münzplatten-Wag- und Sortir- und eine Prismenschleif-Maschine anzufertigen, von welchen die beiden ersteren in die Ausstellung überbracht wurden.
Die äußerst sinnreiche Einrichtung der Wag- und Sortir-Maschine macht es möglich, daß sie die, in mehrere
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Trichter vorgegebenen rohen Münzplatten, von welcher Sorte sie auch seyn mögen, ohne weitere Beihülfe einer Menschenhand, mit ihren zehn künstlichen Schalwagen, Stück für Stück genau abwiegt, die schweren, die vollwichtigen, und die zu leichten Platten, jede Gattung in ein abgesondertes Fasch wirft, wieder neue Platten auf ihre Wagschalen bringt, und so fort in einem Tage über 100.000 Stück Münzplatten mit einer Genauigkeit abwiegt, und sortirt, wie sie bei der Zerstreuung und Willkühr der gewöhnlichen Arbeiter, bisher fast nie zu erreichen war.
Der Zweck der Justir-Maschine besteht darin, die auf der obigen Maschine, als zu schwer sortirten Münzplatten durch einen einfachen Durchzug, genau auf das vorgeschriebene Gewicht zu bringen, ohne ihre Oberflächen durch Feilritze zu verletzen, daher mit genauer Beibehaltung der Parallelität der beiden Flächen, das Uebermaß des Metalls in einer vollkommenen Ebene abzunehmen, um sie nicht nur im vorgeschriebenen Gewichte, sondern auch für den Prägstempel vollkommen geeignet darzustellen.
Bloß durch diese beiden Maschinen hat der Herr Aussteller sein eminentes Talent und seinen unermüdlichen Fleiß, durch welchen allein die an ihnen allgemein bewunderte höchste Präcision der Ausführung möglich ward, und welche in mehreren Industrie-Zweigen bereits sehr nützliche Anwendung gefunden haben, beurkundet, daher ihm auch mit Vergnügen die silberne Medaille zugesprochen wurde.