OSKAR MORGENSTERN TAGEBUCHEDITION //
[home]––[info]––[tagebücher]––[personenverzeichnis]––[impressum]
diary-page
diary-page
diary-page
tagebücher / 1935-38 / 1935-10-26

Samstag, 26. XI. 35.

Ein neues Heft – Was kommt wohl wieder auf den nächsten Seiten. Freuen würde ich mich vor allem, wenn ich schreiben könnte, daß mein Buch über Zeit & wirtsch. Gleichgewicht erschienen ist. Über ein der dort zu behandelnden Themen bin ich mir wieder etwas klarer geworden & zwar über Statik & Dynamik. Ich werde dieses Kapitel bald skizzieren, vorher muß aber noch der Aufsatz über Logistik & Sozialwiss. fertig werden. Dies geht erst wieder, bis ich die Übersetzung der „Grenzen“ draussen habe.

Mit … Montag Abend aus Klagenfurt zurückgekommen. Die Arme hat am Samstag-Sonntag etwas leiden müssen, ohne daß ich davon eine Ahnung gehabt hätte! Wir haben uns einen Abend wieder hier getroffen und zweimal in der Stadt zus. gegessen. Heute wollen wir zur Wessely gehen („Episode“). Mittag war ich zum Lunch bei Schlick (noch: Bühler, Prof Terzaghi, am. Ges. Messersmith & Frau, Fr. Dr. Dengler.) Es war recht interessant. Messersmith hat eine Menge politischer Dinge erzählt. Er rechnet mit einer neuen & weiteren Versteifung der Haltung Englands sofort nach den Wahlen. Er meint, Engl. wolle Mussolini beseitigen. Unseren ital. Kurs beurteilt er sehr ungünstig, nicht nur moralisch, sondern vor allem auch unklug auf längere Sicht. Schlick war kürzlich in Italien & erzählte von der Kriegspsychose und der doch dahinter liegenden Furcht & Abneigung gegen den Krieg. Aus Südtirol hat er die schlimmsten Nachrichten. Und er ist gewiss kein blinder Nationalist! Do. als ich mit Goetzl Wir erwarten Andrews, denn es scheint, als ob sich das grosse Geschäft anbahnen liesse. Am Mittag war ich bei Mack zum Lunch. Dieselbe Sache wie beim amerik. Gesandten. Mack ist ein lieber Kerl, sehr spaßig. Ich will ihn & Frau einmal zu mir einladen. – Wald war einen Abend hier & wir diskutierten verschiedene ökon. Probleme. Cassel hat ein neues Buch über Quantitative Thinkin in Econ. geschrieben, wo manche ganz vernünftige Sachen drin stehen. Hayek kommt sehr schlecht weg bei ihm, mit Recht. Ich habe bei H. wieder einen grotesken math. Unsinn entdeckt. Wald findet meinen Keynes‘ Aufsatz math. ganz in Ordnung. Nun werde ich ihn viell. doch für den Druck herrichten & nach Chicago senden. – Do. Abend war eine Meinl Zus.kunft, die viel besser war, weil van Heugel anwesend war & viel redete. Mir ist dort ein Einfall gekommen, wie man praktisch von der Hypnose der pass. Handelsbilanz wegkommen könnte. Ich werde einen Aufsatz darüber schreiben.

Jetzt muß ich eilen-.

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1935-38, Eintrag 1935-10-26
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.21)