OSKAR MORGENSTERN TAGEBUCHEDITION //
[home]––[info]––[tagebücher]––[personenverzeichnis]––[impressum]
diary-page
diary-page
diary-page
tagebücher / 1935-38 / 1935-12-28

Samstag;, 28. XII.

Vorgestern war Haberler, Wald, Wittlesly & Frau, sowie die Eltern, Hannchen & Taxi bei mir. Haberler ist durch irgendetwas verdrossen. Ich habe den Eindruck, daß seine Frau ihn irritiert. Wald hat wieder eine neue Sache entdeckt, nämlich daß die Cournot’sche Monopolgleichung keineswegs immer eine Lösung haben muß! – Montag spricht Menger über abnehmenden Ertrag in der Nat. Ökon. Gesellsch.

Meine Pariser Sitzung ist am 17. I. – Bis dahin muß der Aufsatz fertig sein. Leider ist es nicht so leicht wieder ganz hinein zu kommen. Am liebsten möchte ich ihn diktieren. Mit Frau Michna bin ich in letzter Zeit sehr unzufrieden. Sie mault immerzu über viel Arbeit. Heute diktierte ich auf Grund vielen Drängens der Reichspost einen Artikel für die morgige Nummer. Ich hatte ihn schon seit längerer Zeit entworfen & wollte ihn eigentlich für die N.F.P. schreiben. Deswegen war ich heute im Büro, obwohl ich gar nicht in die Stadt zu fahren gedachte. Daher war ich auch beim Tee von Thalmann; es war aber nicht sehr lohnend (Thal, Prossinaggs, Haberlers).

Im Juni findet in Genf eine Sitzung von Experten über die Ergebnisse der Haberlerschen Arbeit statt. Nachher schliessen wir gleich die Wr. Konferenz an, weil dann alle diese Leute – z. T. als Gäste – auch hier teilnehmen können. Mises traf ich heute; er hat eine blühende Phantasie & sieht schon den Papst nach USA emigrieren.

Mein Ring wird sehr bewundert, still & offen. Mimi wird sich darüber freuen. Muttel gefällt er besonders gut. An Mimi habe ich geschrieben, von ihr aber noch keine Nachricht. Ich freue mich schon sehr auf das Wiedersehen. – Donnerstag muß ich die erste Stunde des Bankkurses halten.

Mit der Math. habe ich ganz gute Fortschritte gemacht; es fehlt mir nur an der Übung. Wald ist ein sehr guter Lehrer & wenn wir noch 2 Jahre fortsetzen, werde ich in den wichtigsten Disziplinen ein ganz annehmbares Verständnis haben.

Soviel für heute. Morgen wird viel geschrieben! -

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1935-38, Eintrag 1935-12-28
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.21)