8. Feb. 1936. (Montag)
Es ist hoffnungslos mit einem Tagebuch. Ein Monat & noch dazu so bewegt. Gut, daß ich wenigstens im Büro kurz die wichtigsten Daten notieren kann.
Inzwischen (14. I. 18. I. Paris, dann 2 1/2 Tage am Arlberg). Zurückgekommen sofort wieder viel Arbeit und schon wieder am Sprung zu verreisen, denn ich werde am 25. d. mit Kittredge nach Budapest & Bukarest fahren, dann auf einen Tag nach Wien zurück, um sofort nach Prag mit ihm zu fahren. Auf diese Weise kommt die Organisation der Donau-Arbeit in Gang. Sonst sehr viel: ein starkes Feb. Heft mit vielen Ausgestaltungen der Statistik in Vorbereitung. Am 4. d. hielt ich einen Vortrag i. d. Ges. d. öst. Volkswirte über die Einordnung der Verkehrspolitik in d. Allg. Wpol.. Der grosse Saal der Kammer gesteckt voll. Jetzt muß ich das MS fertig machen, da er in den Mitt. des Bankenverbandes erscheint. Ferner soll bis zum 25. der Devisenbew. Aufsatz für Bulgarien fertig werden. Der Logistik-Aufsatz ist beim Umbruch (ca 22 Seiten).
Mimi ist sehr beschäftigt: Wir sind so gut miteinander! Gestern war sie hier. Am Do. waren wir am Ball d. Stadt Wien; ich im neuen Frack (ein Gedicht!). Ich habe mir auch noch einen Anzug (taubengrau) dort machen lassen. Die Sachen sind wie Tag & Nacht. Am Freitag bei Gen. Dir. Fuchs (Semperit) zum Nachtmahl. Am Sa. mit Hannchen zum Diner & Ball bei Meinl (Hübner).
In 8 Tagen beginnt wieder das Som. Semester. Im Seminar werden wir Wert & Preis behandeln. Ich möchte gern an meinem Buche weiterarbeiten. Keynes neues Buch ist erschienen. Viell. werde ich einen Aufsatz darüber schreiben. Die neue Übersetzung meines Buches ist z. T. geliefert; wesentlich besser. Wittlesey & Mudgett sind nicht so ganz zufrieden damit, aber einmal muß man Schluß machen & schließlich hat Dr. Vera Smith die Verantwortung. Ich wünschte das Buch wäre bald heraus. Ebenso ist seit langem die ital. Übers. vom Zeitmoment-Artikel fällig.
Weitere Math. Stunden; jetzt beim bestimmten Integral; so geht es langsam vorwärts. Bankstunden; recht befriedigend. Es wird mitgeschrieben.
Ich habe es von Paris her in der Hand, die 9th Intern. Studies Conference nach Wien zu bringen; mit Draxler sprach ich schon darüber.
Es gäbe noch viel mehr; ich will umziehen. Heute sah ich im Hochhaus 7. Stock eine 3-Zimmerwohnung, die für Mai frei wird und mir recht zusagt. Sehr sonnig, also im Sommer sehr heiss, aber so bequem gelegen! Wegen der Fahrt- & Taxiersparnis nicht teurer. Aber umziehen ist ein so schwerer Entschluß, bes. wenn man die Weltlage betrachtet. Es wird wohl bald Krieg geben. Ich bin noch nie so pessimistisch gewesen! -
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.21)



