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tagebücher / 1935-38 / 1936-10-04

Sonnt. 4. Okt. 1936.

Wieder eine so grosse Pause; aber es geht technisch einfach nicht. Inzwischen viel Arbeit, mit den Bahnen &sw. Die LKVV ist also wegen Einspruches Draxlers tatsächlich abgelaufen. Der Fin. Min. kam Montag aus Genf zurück & empfing mich als ersten. Nicht nur wegen der LKV, sondern vor allem wegen der Abwertungen. Wir wollen fest bleiben. Ich war diese Woche 5x bei Draxler, auch bei Kienböck & Rizzi. Ich habe Grundlinien eines Programmes ausgearbeitet, das jetzt befolgt werden müsste. Draxler, Kienb. & ich sind jetzt einig. Auch Schuschnigg ist dafür gewonnen. Draxler möchte, daß ich als eine Art ständiger Sekretär des Wirtsch. Min. Comités fungiere & dort die entsprechenden Anträge stelle. Meine Pläne gehen in Richtung von Kontingentauflösung, Zoll- & Steuersenkung. Viell. werde ich diese Woche im Min. Comité ein Referat halten. Jetzt ist, glaube ich, ein sehr wichtiger Zeitpunkt für mich gekommen. Draxler bat mich, in Wien zu bleiben, so daß die Reise zu De Viti vorläufig ins Wasser fällt. Aber am 16. & 17. muß ich in Genf sein (Preis-Comité). Kommende Woche beginnt die Univ. –

Alle Bünde sind, 20 Mann hoch (Urban, Staud, Raab etc) am 30. beim Kanzler erschienen. Für Verlängerung der LKVV. Nein, wegen des Fin. Min. Zum Schluß sagte Schuschnigg: „Schliesslich hat sich auch Prof. M. mit Rücksicht auf die intern. Währungslage gegen die Verlängerung ausgesprochen.“ Grosser Eclat, die Bünde sind bös. So wollen sie z. B. jetzt nicht das Instit. in die Kammer eingliedern! Wie die Kinder. Dabei hat der Kanzler natürlich mich nicht richtig, oder nicht vollständig zitiert. Ich hatte D. nur gesagt, daß Mindesttarife bei gleichzeitiger Politik der Preissenkung einen Widerspruch darstellen.

- Jetzt ist also wieder eine interess. Zeit. Draxler dürfte jetzt, nach dem Genfer Erfolg, festsitzen. Diese Woche Generalversammlung gewesen. Ferner meine Aussage im Braun-Prozess, was sehr viel Zeit gekostet hatte.

Mi ist emsig tätig. Sie war 3 Tage in Budapest, krank. Das arme Chérie hat mir sehr leid getan & ich wusste nichts davon. Die Intervention des Ministeriums bei Semperit hat aber doch genützt. Mi & ich waren sehr zufrieden, glücklich. – Am Do. endlich wieder einmal im Theater (Josefst.) „Ehe“; ganz gut.Ich habe einen sehr schönen Herbstmantel. Amon war hier. Auch Hayek (Vortrag in nat. ök. Ges. über Voraussicht; schlecht).

So viel neue, & andere Arbeit: Aber ich lerne geradezu mit Begierde. So long M.

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1935-38, Eintrag 1936-10-04
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.21)