OSKAR MORGENSTERN TAGEBUCHEDITION //
[home]––[info]––[tagebücher]––[personenverzeichnis]––[impressum]
diary-page
diary-page
tagebücher / 1935-38 / 1936-11-25

Mittw. 25. XI. 1936.

Gewisse Dinge mißfallen mir immer mehr. Alles im Zusammenhang mit der Unentschlossenheit in unserer W.politik. Mo. lunchte ich mit De. Bordes (wieder nach fünf zurück), der nachher beim Kanzler war & ihm auch gesagt hat, dass es so nicht weitergehe. Man müsse nun Preise senken, wenn man stabil bleiben wolle. Aber auch er fand, (wie Kienböck) keine rechten Widerhall. So geht die Zeit verloren; da wäre es besser, man wertete ab. Morgen spricht übrigens Kienböck im Ind. Klub; er hat mich einladen lassen. Heute wurde die Denkschrift versendet, die ich geschrieben habe (stat. Teil v. Kamitz z.T.); es war nötig, um mein Gewissen zu beruhigen. Hoffentlich hat sie einen Erfolg. (Kienböck, Taucher, Neumayer, Rizzi; (Heller), de Bordes, Messner,); später noch einige mehr.

Gestern Seminar; ich einmal Vorsitz. Es war gleich viel lebhafter; Strigl ist wieder so apathisch, offenbar doch enttäuscht, daß er noch immer nicht ernannt ist. Er ist 45. – Nachher bei einem guten Vortrage Rizzis über Kreditpolitik; in der Kath. Akad. Gemeinschaft. Es war nur schwunglos; ich verstehe schon, warum Kienböck zu mir sagte, R. sei kein Minister.

Heute mit Heller geluncht; er ist nett, gescheit & zuverlässig. Wir sprechen uns ausnehmend gut. Alle Leute schätzen ihn in zunehmendem Maße. Er ist jetzt der eigentlich entscheidende Mann bei der Semperit; er wird sich für die Naftole-Sache einsetzen, von der er noch nichts wusste. Hoffentlich wird Mimi davon nun Vorteile haben. Mit Mimi so gut wie jemals; wir mögen uns sehr. Leider beide so bescäftigt! … Sonntag waren wir einmal 2h spazieren, es war herrliches Wetter.

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1935-38, Eintrag 1936-11-25
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.21)