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tagebücher / 1935-38 / 1936-12-05

Samstag, 5. Dez. 36.

Mont. war mein Vortrag im wiss. Klub. Schade um die viele Zeit, die ich der Sache gewidmet hatte. Immerhin gab es gute Zuhörer. Der Fin. Minister wollte spontan kommen, mußte aber zur Opernaufführung wegen Horthy. Dafür erschien ein Kriminalbeamter.

Di. war Preiskommission; wir dürften doch allmählich vom Fleck kommen. Klauber, der immer so arrogant war, liess sich um den Finger wickeln, weil ich ihn wissen liess, daß ich ihm auf Schliche gekommen bin. Nachher in d. Ind. Vereinigung, zu Weiss-Wellensteins Vortrag über Preiskontrolle, wozu man mich als Hauptdiskussionsredner eingeladen hatte. So weit ganz passabel. Sek. Chef. Schmidt war dort. Er macht einen ganz niedergedrückten Eindruck. Offenbar fühlt er die Tatsache, daß er früher viel freier war. Er meinte, ich würde mir mit der Preisbeobachtung schaden. Das werden wir abwarten; übrigens tendiere ich immer mehr nach Amerika. Gulik erwartet sehnsüchtig meine Einladung nach Berkeley. Jetzt wird übrigens bald in New York die Entscheidung wegen der Carnegie-Professur fallen. – Ich würde mich sehr über die Einladung freuen.

Mittw. war Mi hier & sehr lieb. Aber sie ist überanstrengt & bedarf der Ruhe. Freitag fuhr sie wegen ihrer Geschäfte nach Brüssel, dann weiter nach London.

Do. die Nachrichten über die Pläne Eduards VIII. Mrs. Simpson zu heiraten. Grosse Staatskrise in England, die uns heute fehlt! Sehr tapfer von ihm, aber zur unrechten Zeit; denn auch wenn er abdankt, ist es eine Erschütterung. Wieder etwas für Hitler & Mussolini. Aber es ist unabsehbar, was da noch daraus wird, denn hier gibt es sicher auch tiefe politische Motive.

Gestern war ich bei Kienböck; nett wie immer. Ich dankte für die freundl. Worte neulich. Das veranlasste ihn zu sehr warmen Äusserungen. Wie er unsere Arbeit & mich schätze etc. Wir sprechen jetzt irgendwie auf einer anderen Basis. So als gute persönliche Freunde, bei allem Respekt, den ich ihm schulde & auch gerne zolle. Er muß so viele Übertreibungen immer verhindern, (Arbeitsbeschaffung etc). Alles kann er natürlich nicht unterdrücken, nur Auswüchse. Er hat interessant von seiner letzten Besprechung mit Norman & Niemayer erzählt. - Übrigens soll K. Vizepräsident der BIZ werden. Das wäre sehr gut.

Die Budget-Rede des Fin. Min. war zu 1/3 vom Institut gemacht. Via Pfaundler, der uns ganz zugetan ist. Der Min. hat übrigens die 30.000.- Sch. bewilligt. Das gibt mir Luft zu atmen. Nun noch ein Teil für dieses Jahr 2-3000.- Sch.

Freit.-Sa. nächste Woche 2. Experten Conf. der Donau-Untersuchung.

Soviel. Das engl. Buch ist schon umbrochen. Mont. geht der Anhang weg, ebenso Vorwort. Anfang Jänner soll es erscheinen.

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1935-38, Eintrag 1936-12-05
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.21)