Montag 7. XII. 36.
Morgen ist zwar ein Marien-Tag, aber ich war doch bis Mittag im Büro; es gab so viele ärgerliche Kleinigkeiten, die z.T. mit der kommenden Experten-Konf. (Donau) zus.hängen. Heute funktionierte endlich das neue Telephon in der Kammer (Vollautomatisierung), das sicher eine Erleichterung bringen wird, falls genug Staatslinien vorhanden sind.
Ein Chinese, Dr. Han aus Nankai-Univ. ist aufgetaucht. Bleibt 2 Wochen oder 2 Jahre. Spricht fliessend deutsch & ist bei weitem der intelligenteste Asiate, den wir bisher hier hatten. So viel gescheiter als z.B. Yamada, der Samstag bei mir war, um über Logistik & Ök. zu sprechen, worin er nicht die leiseste Ahnung hat. Han ist gut beschlagen. Ich glaube auch, daß die Chinesen menschlich viel sympathischer sind; das hat auch Gunn immer behauptet.
Die Krise in England dauert fort. Man weiß nicht, wie der König sich entscheiden wird. Abdankung ist nicht unmöglich. Ob aber das nicht erst der Anfang seiner politischen Aktivität wäre? Hinter der Sache stecken zweifellos viel tieferliegende Dinge. Unsere beiden Engländer, Henderson & Bonner, sind ganz aus dem Häuschen.
Sonst mißfällt mir die Weltlage immer mehr. Nur Wunder können den Krieg in den nächsten 2 Jahren verhüten. Dabei muß man so deutlich sehen wie grauenvoll er in Spanien ist. So viel Lüge in der Welt. Jetzt tritt die grosse Funktion des Radio in Erscheinung, falls man Sprachen kann & die internation. Nachrichtendienste anhört. Die W.Lage Deutschlands spitzt sich rapid zu. Auf Devisenvergehen haben sie jetzt glücklich die Todesstrafe gesetzt! Und generell Preissteigerungen durch Gesetz verboten. Es wäre zum Lachen - .
Es ist eigentlich erstaunlich, daß man so in verhältnismäßiger Ruhe weiterlebt. Aber schliesslich muß man das. Nur muß man dafür sorgen, daß man einen Born hat, aus dem man geistige Kräfte, Zuversicht & Geduld schöpfen kann.
Ich habe so ein Gefühl, als ob bald meine Stunde gekommen sei, wo ich mehr & weiter zu wirken habe. Oder zumindest rechne ich mit solchen Möglichkeiten & betrachte, was ich erfahre, unter etwas weiterem Gesichtswinkel. Und versuche, bei aller inneren Anteilnahme, noch mehr Detachiertheit.
Gestern mit Muttel im Kino. Der Gewissenswurm.
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.21)


