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tagebücher / 1935-38 / 1937-12-31

Freitag, 31. Dez. 37. Sylvester

Diese Tage sind rasch vergangen. Einmal blieb ich zu Hause, um zu diktieren; meist waren es aber Briefe. Immerhin ist das 3. Kapitel (bis 1926) fertig geworden & war heute nachmittag in Kienböcks Händen. Die Sache interessiert mich in steigendem Maße & ich werde sicher zu Weihn. 38 fertig sein. Es wird aber noch grosse Anstrengungen kosten. Im Büro liquidiere ich, was weitere, zahllose Schreibereien nötig macht. Dazu Maschinenkäufe, die neue Heftausstattung (ein blauer Deckel; ich weiss noch nicht, ob hell od. dunkel besser ist; schöne, neue Schrift). Ein Dr. W. Friedrich aus Prag war da; wir sollen ev. seine Arbeit über graphische Methoden herausgeben; ich werde sehen, ob mir v. Sickle dafür wirklich Geld gibt. Es wäre eine Publikation mehr.

Koffer gekauft. Blau, Fibre, sehr gut, aber S. 500,-! Noch ein paar schwarze Schuhe. 2 Frack-, 3 gewöhnl. Hemden nach Maß. Alles unvermeidliche, aber beträchtliche Ausgaben. Mit dem Lloyd für beide Fahrten abgeschlossen, erhebliche Ermässigung (25%) auf Mindestsatz & dafür hat man mir – auf der Bremen! – eine Luxuskabine eingeräumt! Also besser geht es nicht. Ich zahle nicht mehr, als auf einem alten kleinen Dampfer. Hoffentlich ist halbwegs erträgliches Wetter; es wäre ja schade krank zu sein.

Gestern bei den Eltern, um Haberlers Mutter & Maria zu treffen. Die alte Dame ist sehr liebe. – Vatel ist unausstehlich. Jetzt will er für seine 'freiwillige' Arbeit Geld & ist wegen ... nicht zufrieden. Im tiefsten aber neidisch wegen meiner Reise. Dabei kann er doch wirklich nicht klagen. Jetzt muß ich wieder für ihn 300,- S. Steuer zahlen usw. Es ist mit ihm wirklich unerträglich. Die arme Muttel tut mir leid. Von Hannchen ganz zu schweigen. Und ich bin es wirklich satt.

Heute früh rief Mimi v. St. Anton aus. Sie war sehr lieb & schien bewegt. Sie hatte schon 2 x vergeblich telephoniert. Erst am Montag will sie kommen. Da haben wir dann gerade noch eine schmale, kärgliche Woche! Ich verstehe sie doch nicht ganz, obwohl sie es erwartet. Viell. verschliesse ich mich ungewollt ein wenig vor dem, was die Trennung für uns beide bedeuten wird – .

Jetzt ist es bald 9.30 p.m.; ich muß mich umziehen (Frack) zu einem Souper im Imperial, das der alte Meinl gibt & zu dem ich zugesagt habe, weil ich auf diese Weise verschiedenen Adieu sagen kann.

In 8 Tagen ist der Vortrag. Kienböck will kommen; ich habe wenig Zeit, in die vielen Notizen Ordnung zu bringen. Und ich möchte schon einiges sagen!

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1935-38, Eintrag 1937-12-31
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.21)