OSKAR MORGENSTERN TAGEBUCHEDITION //
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tagebücher / 1938-39 / 1938-10-02

Sonntag, 2. Okt 38.

Gestern endlich ein Brief von zu Hause. Wieder nicht bes. angenehm (auch im Unterton). Aber das muß wohl die Aufregung gewesen sein. – Nach vielen bürokr. Komplikationen werden meine Bücher etc. mir nun zugehen; viell. sind sie Ende Nov. hier. –

Gestern & heute war Wald hier. Genau wie immer. Hat interess. Arbeiten gemacht; er ist aber so „eager“ unterzukommen, Visa etc. Jetzt hat er Fine Hall gesehen & möchte nun gleich hierher kommen … - Wir haben lange mit Wilks disk.; auch mit O. Veblen, der mir sehr gut gefällt.

Nun kann Mimi kommen. Wie ich hoffe, daß sie wirklich kommt, bald kommt. Wie sehr. Und doch kann ich ein Gefühl tiefer Sorge nicht unterdrücken, nicht daß ich glaube, wir werden uns nicht sofort in die Arme sinken & beide spüren, was wir entbehrt haben & wie wir zus. gehören. Ich fürchte aber, daß sie durch das, was in Wien geschehen ist, Schaden genommen hat. Viell. so viel Schaden, daß er nicht mehr gut zu machen ist. Und daß sie daher, noch weniger als bisher, sich entscheiden kann für immer mit mir zu leben, unter den Bedingungen, die ich ihr bieten kann. Ich brauche aber diese Klarheit. Ich werde nicht aufhören, um sie zu ringen; ich muß aber sehen, daß sie den nötigen Mut hat, das Wagnis zu beginnen. Auch ich wage. Bin aber bereit dazu. Wie lange noch!? In 4 Wochen sollen wir schon beisammen sein. –

Ich komme nun mehr & mehr wieder in die Theorie hinein. In 2-3 Monaten wird das noch ganz anders sein. Aber was für ein Zustand der Ökonomie!

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1938-39, Eintrag 1938-10-02
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.22)