OSKAR MORGENSTERN TAGEBUCHEDITION //
[home]––[info]––[tagebücher]––[personenverzeichnis]––[impressum]
diary-page
diary-page
diary-page
tagebücher / 1938-39 / 1938-10-15

Samstag 15. Okt.

Heute war ich in Wihnington; es sind nur 1h 35min. Das ist also sehr einfach & könnte alles möglich machen, wenn Mimi nicht täglich dort sein muß, sondern nur 2-3 Tage, oder Wochen abwechselnd. Es ist alles noch im Werden; das Labor macht einen ganz guten Eindruck & alles dürfte genügen. Jetzt überlegen sie, wo die erste 250t Anlage gebaut werden soll. Schlomann war auch dort; ziemlich gedrückt. Mir sind zu viele Juden dort & es fehlen die reinen Amerikaner. Auf das müsste man auch losgehen. Was Sohnssen leisten wird, bleibt zu sehen; das wird von seinem Charakter abhängen. Spassig, wie alle diese Männer vor Mimi zittern! Sie bemühen sich so sehr, vor ihrer Ankunft alles in Ordnung zu bringen. Ich bin immer mehr der Ansicht, daß man via Rockefeller die Standard Oil hereinbringen soll. Mimis Interessen sind kaum die „grossen Profite“, sondern irgendeine Form laufenden Einkommens für einige Zeit & angemessene Arbeit. Nun, ich hoffe, sie wird das alles mögen. Alles kommt darauf an, wie wir beide stehen werden. Ich habe Mi natürlich mit diesen Leuten nicht weiter diskutiert.

Do. war Dr. Winternitz hier. Auch wieder so ein armer Teufel. Aber mit der Zeit kommen zu viele Juden nach Amerika; das wird noch zu einem richtigen Antisemitismus führen. Es ist jetzt schon fast unmöglich ihnen zu helfen. Geiringer & Sebba sind auch in N. Y. Graetz will auch kommen.

Inzwischen arbeite ich weiter. Ich glaube, daß ich mir mit meinen Vorlesungen mehr Mühe nehme, als die meisten hier; aber das ist schon um meinetwillen nötig. Wie könnte ich sonst zufrieden sein?!

Ich soll in Detrait bei einer Round Table Disc. (AE.Ass. & Econ.Ass.) über „Pure Theory of Production“ den Vorsitz führen. Ich sage zu, obwohl ich eigentlich mit Mi nach Bermuda fahren möchte! –

Jetzt bin ich schon manchmal sehr gestört, wenn ich ein hübsches Mädchen sehe & noch lange auf Mimi warten soll. Ich will Mimi ganz zart entgegen kommen. Wenn sie nur so zu mir ist, wie an dem nie zu vergessenden Sonntag nach ihrer Rückkehr aus England im vorigen Dezember! Dann werde ich alles erreichen - …

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1938-39, Eintrag 1938-10-15
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.22)