OSKAR MORGENSTERN TAGEBUCHEDITION //
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tagebücher / 1938-39 / 1938-11-30

Mittwoch, 30. Nov.

Samst. kam Mimi wieder. Eine Maske von ihr wurde von Sebba angefertigt; sie dürfte gut, aber streng geworden sein & nicht ihr ständiges Lächeln tragen. Wir werden daher eine neue diese Woche machen.

Es schneite den ganzen Tag & Abend. Mimi war reizend. Wir gingen ins Kino zu Marie Antoinette. Dann nochmals kurz zu mir, wo sie das erste Mal zusagte, sich für immer mit mir zu binden und sie schien sehr froh & glücklich. So waren wir gewiss am Abend in der Tavern, wo wir bis nach Mitternacht beisammen sassen. Auch Sonntag war es sehr schön, bis sie, kurz vor ihrer Rückreise plötzlich eine ganz andere, leichtfertige Haltung einnahm & mir Dinge sagte, die mich sehr beunruhigen, ja kränken mußten. Was soll ich davon halten? Ich dachte alle die Wunden von früher seien vernarbt, nun aber muß ich traurig & ernst sein & in eine dunkle, verworrene Zukunft schauen, wenn sie nicht meint, was ich von ihr errungen zu haben glaubte. Oder soll das nur eine – hoffentlich letzte! – Prüfung sein? – Meine Liebe zu ihr ist so gross, daß ich kaum sehe, wie sie erschüttert werden kann, aber es ist doch möglich; ich bin sehr in worry & trouble. Hoffentlich bringen die nächsten Begegnungen völlige Klärung. – Gleichzeitig will sie aber mit mir zu Weihn. nach Bermuda oder sonstwo hinfahren. Und spricht von mir, als ihrem wirklichen Gefährten. Ich will aber nun Klarheit darüber haben, wie wichtig ihr unser gemeinsames Leben ist. – Leider leidet sie sehr unter dem Schock von drüben & ist in Sorge wegen ihrer Mutter. Es ist eben alles dies auch ein Ausdruck unserer verworrenen Zeit. Gebe Gott, daß wir die richtigen Wege finden und das Glück nicht ganz verlieren. –

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1938-39, Eintrag 1938-11-30
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.22)