OSKAR MORGENSTERN TAGEBUCHEDITION //
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tagebücher / 1938-39 / 1938-12-16

Freitag, 16. XII. 38.

Gestern Seminar. Ich sprach über Hutchison & die Struktur der Theorie. Stiess auf völliges Unverständnis. Lutz redete auch Unsinn, nur Mitrany kam nachher & zeigte, daß er ganz zustimmt & wirklich (?) etwas versteht. Ich hätte Wilks einladen sollen, mit dem ich heute sprach. Überall kommt zum Vorschein, daß das Ök. Dep. hier bei den anderen nicht sonderlich angesehen ist (z. B. Stace wieder dtto). Für mich ist es sehr betrüblich, nicht mehr Anregung zu haben. Duncan ist eine grosse Enttäuschung, ausser er lernt; aber er nimmt sich gar nicht die Zeit nachzudenken. McIsac ist ein Vaserl; & dem entsprechend sind die Studenten in puncto Ausbildung; potentiell natürlich viel besser.

Gestern Abend tel. ich mit Mimi, die sehr lieb war. Wir treffen uns Montag am spätnachmittag in Philadelphia, wo wir über Nacht bleiben. Ich freue mich schon sehr. Und Freitag geht es auf die Reise; 10 Tage werden wir ganz innig beisammen bleiben.

Die engl. Politik scheint sich zu wandeln. Es wird wohl doch zu einem Krieg kommen, denn ich kann mir nicht vorstellen, daß Hitler Vernunft & Mässigung zeigt. Eine Partei muß nachgeben. Die Deutschen können es & dabei dauernd gewinnen. Aber sie sind zu dumm. Ich hoffe – Frieden etc. vorausgesetzt – doch in 1 Jahr ein MS über allg. theoretische Fragen zu haben. Das wäre sehr schön.

Morgen Dinner bei Kemmerer mit van Zeeland. Sonnt. bei Dodds, dtto mit v. Zeeland. –

Ich freue mich so sehr auf Mimi. Diesmal will ich wieder mit ihr tanzen. Plötzlich fand sie, daß ich da so viel besser sei & es macht mir Vergnügen, mit ihr zu tanzen, was wir so selten getan haben.

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1938-39, Eintrag 1938-12-16
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.22)