Montag, 9. Januar 1939.
Vor einem Jahr, an einem Montag, verliess ich Wien. Heute hier unter so anderen Verhältnissen, jedoch mein grösster Trost Mimi nahe & mir viell. noch inniger zugetan. Morgen treffen wir uns wieder in Philadelphia, wo wir über Nacht bleiben; sie selbst schlug dies vor. Wir haben 2 x tel.; gestern rief sie an & war sehr lieb.
Meine Arbeit geht gut. Heute sprach ich in Grahams Vorlesung über Mon.theory & the Bus.Cycle; ich glaube, es war ganz gut gelungen & mir machte es Spass. In einer Vorles. gehören eben mehr Zuhörer, als in den Grad. Courses. Nächstes Sem. werde ich meine mehr als Seminar gestalten. Ich habe nur diese 3 Stunden & 3 Stunden Junior Readers, d. h. muß deren Arbeit überwachen, was für 3h wöchentlich gilt, aber mir keine besondere Arbeit machen wird.
Dieser Tage werde ich mir ein Auto kaufen. Ev. Pontiac oder Buik. Letzterer sehr schön & wenn auch viel Benzin braucht, so ist doch alles andere in Europa so viel billiger, z. B. Hotels, so daß es schliesslich nicht so schlimm ist. Und dann kauf ich ihn ja zu 2/3 aus Einkommen. Mimi & ich werden da einige sehr schöne Tage haben, zumal von baldiger Abreise keine Rede mehr ist. Sie wird viell. sogar eine Wohnung nehmen & erst im April oder Mai fahren, mit mir im Aug. eine Reise machen & zus. mit mir herüberfahren (Ende August). Das leuchtet ihr selbst am besten ein.
Wie schön es in Florida war. Was für ein Esel, daß ich nicht viel mehr Fotos gemacht habe. Die wenigen sind sehr gut. Mimi fühlt sich zu neuem Leben erwacht & ich bin so glücklich darüber. Jetzt wird sie auch Amerika mit freudigeren Augen anschauen. Samstag kommt sie her & wir gehen zu einem Tanz im Pres. day Club.
Miami, Cocanut Grove, Coral Gables, Palm Beach, St. Augustine, Marine Studios kennzeichnen unseren Pfad. Dieses herrliche Wetter, Schwimmen im Meer, Palmen, usw. Leider litt das Kind von ihrer Infektion am Fuß, aber später wurde es besser. Sie war sehr bewegt am heiligen Abend & zu Sylvester. Sicher hatte sie Heimweh; aber jetzt ist es besser. Sie war sehr lieb zu mir, bes. in St. Augustine.
Die Eltern fühlen sich in der Wohnung sehr wohl & das freut mich ausserordentlich. Eine ganz andere Stimmung herrscht, bes. wie Muttel schreibt wegen der Weitläufigkeit der Wohnung, die eine gewisse Isolierung ermöglicht. Sonst scheinen sie viele erschütternde Schicksale zu sehen. Jetzt gibt es nur 5 Deka Butter & fas keinen Kaffee. Eine feine Wirtschaft.
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.22)



