OSKAR MORGENSTERN TAGEBUCHEDITION //
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tagebücher / 1940-41 / 1940-02-24

Gestern ein erbärmlicher Vortrag von Roos (Seminar).

Jetzt lese ich Wells‘ New World Order & Rauschnings: Hitler speaks. 2 interessante Bücher, die einen aber weiss Gott nicht optimistischer machen. Heute kam nach langer Zeit ein Brief aus Wien (v. 17. I.). Sie schreiben sehr nett & es ist hoffentlich nicht zu arg. Sie scheinen weitere Pakete bekommen zu haben, aber leider sagen sie darüber nichts genaueres.

Ich habe mir wieder etliches über Reihenzerlegung (Logik der …) überlegt; es deutet alles in eine Richtung, die zeigt, daß sehr weitgehende Annahmen gemacht werden, die gar nicht klargestellt sind. Viell. sollte ich doch den bulg. Aufsatz erweitern & für die Rev. of Ec. Statistics fertig machen. Wenn Schumpeter etliche 100 Seiten über ähnliche Fragen oberflächlich schwätzen kann, sollten meine par Bemerkungen doch auch ein gewisses Interesse erregen können.

Vorhin sprach Hitler. Genau wie Hans Mayer, wenn er über Spann redete. Die Ähnlichkeit ist ganz verblüffend. Es muß sich um die gleichen pathologischen Fälle handeln. Ich kenne M’s Mentalität & ich bin überzeugt, daß es sich um die gleiche bei Hitler handelt. Daher wüsste ich auch, wie man mit ihm umspringen müßte. Am Vormittag redete der alte Tropf Chamberlain. Von was für Schurken, Idioten, Dummköpfen doch die Welt regiert wird. Es gibt heute niemanden & keine Idee für die es sich zu sterben lohnte. Was für ein Zeitalter. Wohl am ehesten für Finnland, weil es sich dort einfach um Verteidigung handelt. Aber das enthält auch nichts positives. –

Morgen möchte ich die Schump. Rezension fertig schreiben. Es ist nicht leicht, wenn man nicht verletzen will. Ein grässliches Buch. – Die Vorlesungen & Semin. gingen ganz gut; sie geben doch rechte Befriedigung; ich wünschte mir, ich würde wieder richtig zum schreiben kommen. Ich muß den Sommer anständig planen. Aber ich werde so allein sein. – Soll ich wieder weiter ohne Frau leben? Und immer? Oder wie lange? Oft fühle ich mich wirklich einsam; und zwar in einer Weise, die meine Arbeit nicht fördert, weil ich von der Einsamkeit fortgelockt werde, während ich sie früher gerne gesucht habe. Was für eine bittere Änderung. Mimi hätte ich eigentlich dieses Weekend erwartet. Aber sie ist morgen bei Francis Dupont eingeladen. Mit etwas mehr Willen hätte sie heute schon kommen können. –

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1940-41, Eintrag 1940-02-24
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.23)