Mont. 4. III.
Vielerlei. Sa. Nach N. Y., Mimi bei Sloanes getroffen, dann zu Long San Ti gegangen, eine gelbe Glasschale gekauft; Cocktail im N. Weston, Dinner bei Yar, einem netten & billigen russ. Restaurant & schliesslich Raimus: Femme du Boulanger gesehen. Ein sehr guter Film, spielt in der Provence & ist von demselben Manne, der Harvest schrieb. Dann noch eine kurze Aussprache bei ihr; die mich aber mit neuer Sorge erfüllt. Ich mache mir um Mimi wirkliche Sorge. Sie ist so sichtlich instabil, weiss nicht wo sie steht, was sie will, ist nervös & abgespannt. Es ist ein Jammer, sich das anzusehen & das macht es mir ganz unmöglich selbst bitter oder hart zu sein, selbst wenn ich wollte. Kein Wort ist sie imstand mir zu sagen, warum sie eigentlich geheiratet hat. Ich glaube, daß ihr schon arge Schmerzen deswegen entstehen. Es ist ja auch grotesk, daß sie hier ist, scheinbar bleiben will, denn sie fragt so sehr wenn auch indirekt wie es technisch mit der Einwanderung steht. Viell. denkt sie an Maxwell & sich zus. hier in Amerika nach dem Kriege? Aber was soll das heissen? Es ist alles so völlig verworren. Ich warnte sie, daß sie, da sie mit der Naphtolen korrespondiert, sich des schweren Verbrechens der Verbindung mit dem Feinde schuldig mache. Der brit. Geheimdienst wird sich doch gerade aller Dinge annehmen, die mit Öl zu tun haben!! Ich weiss nicht, ob sie überhaupt nach England sicher fahren könnte. (Dazu noch die Steuersorgen!) Ihr grösster Fehler; überhaupt keinen Sinn hatte diese Heirat von ihrem wohlverstandenen Interesse aus. Der britische Pass Und was nützt der schon? Die Arme; was soll mit ihr werden? Und es wäre alles so einfach gegangen. Hat sie sich in England einschüchtern lassen? War es ein Akt von Wohltat und Mitleid? Dann hätte sie doch aber bleiben müssen. Was für Rätsel in den Menschen, die man am besten kennt. Und ich kenne Mimi besser als sie selbst weiss & als ich je irgendwen vermuten liess. Was für eine schlecht eingerichtete Welt.
Gestern waren wir nach dem Brunch im Hotel (ström. Regen), im Mus. of Mod. Art. Wieder die Italiener angesehen. Schöne Erinnerungen. Das grösste Bild: Tizians Papst Paul III. Böser alter Mann. Dann die Modernen; so lebendig, vielgestaltig. Es war sehr schön, insgesamt. Ich fuhr dann zu Morgans zu einem Musicale Carlos Alexander (Führ). Ca. 100 Gäste. Ein guter Anfänger, zu jung um reif zu sein. Ich blieb noch zum Supper. (Noël, Diana, Helen, Miss Mary Dana, etc. Beckharts, Paul Scheffer, Dr. Selig, Fairchild etc etc). Über eine Bemerkung von Smyth (Oxf. U.P.) ärgerte ich mich; ich werde mir das anschauen.
Mimi erwartete mich im Hotel & wir fuhren um 10 p.m. gemeinsam ab. Sie hatte ihre Geldbörse mit Notizbuch verloren (oder gestohlen?). Was ihr doch für Sachen passieren.
Heute Lunch mit Myrdal & Notestein. Um 4h kam er & um 4.30 noch: Kemmerer, Whittl., Lutz, Graham, McIs., Notestein, Galbraith, Hannay. Es war recht nett & dauerte nur bis ca. 6h. Myrdal ist schon ein glänzender Kopf; impulsiv, lebendig, voller Gedanken. Was für Sorgen er jetzt um Schweden hat. Alles richtet sich dort auf Krieg ein; völlige, tiefste soziale Umschichtung. Wie erschütternd aus dem Munde eines solchen Menschen, doch eines der besten Produkte (schwedischer) Wissenschaft zu hören: Es macht mich traurig, in dieser Welt zu leben; ich habe keine Lust mehr dazu. Wie oft habe ich mir nicht wörtlich dasselbe gesagt in diesen letzten Monaten.
Ob nicht die grosse Verbreitung, die die Musik in den letzten Jahrzehnten gefunden hat, & nun weiter durch das Radio findet, mit dazu beiträgt, die Welt so instabil zu machen? Unsere Musik ist emotional; früher, noch zu Mozart, war sie es lange nicht so. Sie wühlt auf, löst Gefühle, die für unausgeglichene Menschen gefährlich sind, sehr schleichend wirken & zur Verwirrung beitragen, genau wie die Sprengung so vieler anderer Ketten & Formen. Musiker selbst sind ja immer schon instabil & führen meist verworrene Leben. Vernunft von verworrenen Gefühlen zurückgedrängt .
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.23)



