OSKAR MORGENSTERN TAGEBUCHEDITION //
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tagebücher / 1940-41 / 1940-04-12

Freit. 12. April.

Gestern nach N.Y., wo ich leider ins Pennsylvania Hotel ging & infolge unglaublichen Lärmes im Hause nur 3-4h schlafen konnte. Ein Skandal.

Um 715 erschien ich bei Diana, die allein war & sich ein sehr schönes, langes weinrotes Kleid angezogen hatte, in dem sie ganz reizend aussah. Sehr graziös, jung & elegant. Ich brachte ihr einige Tulpen, was sie sichtlich erfreute. Wir fuhren ins Polish Rest. (I5IE57) Dort sassen wir den ganzen Abend bis nach 11 oder sogar 11.30, liessen es uns schmecken & waren ganz ins Gespräch vertieft. Diana war netter, als jemals & sagt, daß sie sehr gerne mit mir zus.komme. So viel Heiterkeit & Ernst in ihrem Wesen, so viel Herzlichkeit mir gegenüber, die sie immer mehr zeigt. Sie kann keinen Zweifel mehr daran haben, wie ich für sie empfinde & ich auch beginne bei ihr zu sehen, was ich erhoffe. Sie sagte, ich solle ihr doch mehr mein wirkliches Wesen zeigen; sie meint, ich solle von meiner Arbeit, meinen Plänen usw. reden. Ob ich bei ihr nur Entspannung suche, oder ob ich mehr in ihr sehe? Siehe da! Wie wunderbar deutsch sie spricht; vollkommen ohne Fehler; ich habe ähnliches nie gehört. Ich habe mich schon lange nicht so wohl gefühlt, wie gestern. Diana weiss, daß ich in ihre eine schöne Kameradin sehe, & mehr. Ich bin so ungeduldig; nach jedem Beisammensein verlangt es mich nur noch stärker nach einem Wiedersehen. Sie will gerne, viell. übernächste Woche, hierher kommen, über Nacht bleiben, mit mir reiten gehen. Bis dahin wird es schon grünen & noch mehr Blumen werden da sein. Hoffentlich wird das Wetter uns günstig sein. Bald sehen wir uns wieder. Ich solle schreiben; sie habe es gerne, wenn ich anrufe, aber es sei wohl zu teuer …

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1940-41, Eintrag 1940-04-12
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.23)