Freitag 3. Mai.
Die Alliierten haben nach Finnland die zweite Niederlage erlitten, nun auch militärisch, & sind aus Norwegen draussen ausser aus Narwick, wo sie nicht viel aufstecken können. Eine Schande ohne gleichen. Unfähigkeit & Beweis, daß es ohne Flieger eben nicht geht. Der grösste Mangel in England sind geschulte Piloten. (Nicht nur Flug!, sondern Staatsmänner.) Auch wenn jetzt endlich Chamberlain gehen sollte was ich noch nicht sehe, so würde der Nachfolger ja doch die gleiche versaute Lage vorfinden & zunächst nicht viel ändern können. Ich glaube Hitler, wird nun alles daran setzen, eine Entscheidung in diesem Jahre zu erzwingen, ehe Amerika wirksam eingreifen kann (technisch & wegen der Wahlen). Es ist auch nicht unmöglich, daß er Erfolg haben wird. Was das bedeutete! Was für eine abscheuliche Welt!
Gestern in N.Y. mit Haberler. Wir waren bei Somary zum Tee (ich hatte ihn auch Di. gesehen). S. machte wieder Voraussagen: Daß man kaum auf 3 Monate etwas sagen könne, aber: Italien werde nicht gegen die Alliierten in den Krieg ziehen; Mussolini bluffe die Engländer nur wieder erfolgreich. Hitler könne nicht länger als noch ein Jahr aushalten (ohne Sieg). Irgendwie scheint er auch an ein Neues Europa zu glauben, obwohl er von der phantastischen Armut spricht, die kommen müsse. Er schätzt die täglichen Ausgaben Europas für den Krieg auf 120 Mill. $.
Haberler war auch recht bedrückt; eigentlich mehr als ich, weil ich mich schon mit mehr abgefunden habe und noch unter anderem leide. Er fand, daß ich nicht gut aussehe. (Trotz etwas Bräune, die ich mir vorigen Sa. am Meer Phipps Estate - holte.)
Myrdal will bald heimreisen; sagte, recht traurig, daß wir uns wohl nicht mehr wiedersehen werden. Das wird wohl hoffentlich übertrieben sein.
Heute ein Brief aus Wien (v. 19. IV.) Es geht nicht besonders; Dänemark haben sie nur nebenbei erwähnt; offenbar billigen sie das gar nicht. Ein Brief von Muttel scheint noch nicht angekommen zu sein.
Diana sah ich Dienstag, als ich bei ihr zum Tee war; recht nett, aber nicht sehr warm. Man steht eben (ich) unter dem Einfluß allzu vieler widerstreitender Erlebnisse & Gefühle & Wünsche.
Mimi konnte Sa/So nicht kommen, was wegen des herrlichen Wetters bes. schade war. Viell. morgen. Am Di. hatte sie Geburtstag; rief Mittwoch an & hatte meine 2 Bücher noch nicht bekommen. Wie sie auf ein freundliches Wort von mir wartete. Das arme Kind; Und ich weiss doch ganz genau, was mit uns los ist. Hoffentlich kann ich morgen nett zu ihr sein.
Die Vorlesungen fast zu Ende; noch eine Woche. Dieses Semester war ganz angenehm & ich habe eine ziemliche Ausbeute, wenn auch nichts zus.hängendes, ausser den Vorles.notizen. Das nächste Jahr wird also viel leichter gehen, was das anbelangt.
Neulich sprach ein Herr Hagen über die deutsche Untergrundbewegung. Nicht zu optimistisch. Er machte einen ganz guten Eindruck; es stellte sich dann heraus, daß er Wiener war. (Pseudonym, mir kam er bekannt vor.)
Neumann ist abgereist. Wir haben noch einige Abende zus. verbracht & viele Stunden diskutiert. bes. math. Ökonomie. Es wäre wunderbar, wenn wir zus. ein Buch schreiben könnten. Das müsste sich mit der Zeit machen lassen. Haberler sagte, ich solle die W.prognose engl. herausgeben (& natürlich z. T. neu schreiben). Es gebe darüber doch gar nichts. Sie haben das Buch neulich in Harvard diskutiert. Ich möchte aber vor allem die ganzen Aufsätze zus.fassen.
Jetzt bin ich müde.
Viele neue Notizen (Accel.prinzip & Fusion; Ex-Ante Aggregates etc) zu machen .
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.23)



