OSKAR MORGENSTERN TAGEBUCHEDITION //
[home]––[info]––[tagebücher]––[personenverzeichnis]––[impressum]
diary-page
diary-page
tagebücher / 1940-41 / 1940-06-03

Montag. 3. Juni.

Paris bombardiert; die Barbaren. – Wenn ich an diese herrliche Stadt denke, die mir so ans Herz gewachsen ist, die man nicht rasch kennen & lieben lernt, die mir aber niemals näher gekommen ist, als im vorigen Jahre. Die Pest muß ausgelöscht werden. Wie sehr doch Meinl recht hatte mit seinem Abscheu gegen den preuss. Militarismus. Wenn diese Kräfte & bösen Mächte, – die ganz tief in diesen Menschen ruhen – nicht mit der Wurzel ausgerottet werden können, wird es niemals eine wirkliche Weiterentwicklung geben – .

Lovasy sah gestern Freunde, die am 13. Mai aus Wien weg sind. Sie sagen, daß, wer Wien aus diesen Tagen kennt, nie Heimweh haben könne: völlig verlottert, schmutzig, die Leute proletarisiert. Von Vatel einen Brief vom 20. V. Er erwartet wohl doch Amerikas Eintritt in den Krieg & weiss, was das bedeuten würde.

Gestern Dinner bei Weyls. Ich bewundere seine Arbeitskraft & Konzentration. Da arbeite ich überhaupt nicht, im Vergleich dazu. Bei mir muß das einfach anders werden. Aber ich bin so gestört. – Viell. brauche ich doch eine Gattin; damit ich Ruhe finde?

Mimi war gestern noch sehr lieb; war waren am Delaware, ein warmer Juni Abend. Viell. hätte sie sich mir ergeben; aber wozu?

Morgen nach N.Y. Mittw. lunche ich mit John D. 3rd. –

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1940-41, Eintrag 1940-06-03
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.23)