OSKAR MORGENSTERN TAGEBUCHEDITION //
[home]––[info]––[tagebücher]––[personenverzeichnis]––[impressum]
diary-page
diary-page
tagebücher / 1940-41 / 1940-08-22

Do 22. VIII.

Gestern kam Loveday an & ich tel. heute mit ihm. Ich bin sehr froh, daß er hier ist, weil er jemand ist, der etwas tut & er wird sicher recht viel Leben in die Bude bringen. Hilgert war gestern bei mir, nett, aber langweilig; die Leute haben halt Schwierigkeiten, die man ihnen zu gute halten muß, & sie sind begreiflicher Weise gedrückt. Nurkse dürfte in 2-3 Wochen hier sein; mit ihm wird es sehr nett werden. L. sehe ich morgen.

Gestern & heute reiten. Endlich habe ich den Canter wirklich heraus. Ich bleibe jetzt fest im Sattel sitzen dabei & kann auch ganz langsam cantern. Was für eine Erleichterung. – Ich denke, daß ich mit dem Aufsatz-Entwurf heute oder morgen fertig werde. Genug Probleme sind gewiss aufgeworfen. Ich muß dann die Literaturstellen nachsehen.

Immer neue Gelehrte kommen herüber oder sind in Schwierigkeiten. Pauli kommt Samstag, Polya auch (Brown Univ). Wyler möchte; Sraffa ist in England interniert. Die Foundation versuchte, eine Liste von etwa 125 zus.zustellen. Ich soll Alvin Johnson sprechen. Ich muß nächste Woche nach N. Y. fahren (auch zum Schneider etc.)

Gestern lud mich Weyl zum Tee, wo sich die ganze Familie versammelte. Es war bes. nett. Am Abend kamen Koopmann & Lovasy her; es war nicht sehr gut, dauerte aber nicht lange. Jetzt lese ich Marquard: The late George Apley. Ein amüsantes Buch; ich wünschte, es hätte das schon gegeben, als ich 27/28 in Harvard war; aber damals hätte man das gar nicht schreiben können. Was für ein Fortschritt. M. ist Blanchette R’s Schwager; er hat ihre Schwester geheiratet.

Der Krieg hat keine bes. Veränderungen gezeigt, in den letzten Tagen. Ich glaube, man wird plötzlich Portugal, Gibraltar nehmen, die Azoren besetzen & im Westen Saloniki. Dann wäre eine sehr schwierige Lage entstanden. Churchills Rede neulich war wieder ein Meisterstück. Hoffentlich wird es so gehen, wie erwünscht & wie er hofft.

Ich möchte gern endlich wieder mit Gottfried zus.kommen; ich weiss gar nicht wo er ist. –

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1940-41, Eintrag 1940-08-22
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.23)