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tagebücher / 1940-41 / 1940-08-29

Do. 29. VIII.

Es ist mir gar nicht klar, wie man je aus der gegenwärtigen Kriegslage herauskommen kann, solange es grosse & kleine Staaten gibt & solange die Flugwaffe nicht von den schwachen neutralisiert werden kann. Ein merkwürdiges Paradox, daß wegen wirksamen militär. Widerstandes der Engländer, die Zivilisten – die das Militär schützt – grösseren Angriffen & Schaden ausgesetzt sind. Im vorigen Krieg gab es genug geistige Störungen bei den unmittelbaren Teilnehmern. Das war schon negative Auslese. Jetzt: Kinder & Frauen etc mit „Shell-shock“ oder sonstigen, wahrsch. schwer zu ermittelnden & erst spät in Erscheinung tretenden Nachwirkungen geistiger Natur. Das wird nicht zu mehr Ausgeglichenheit führen & zur Stabilität der Nachkriegswelt beitragen, bes. wenn noch Armut hinzukommt. Dazu die selektive Zerstörung.

Heute noch Arbeit an einigen Nachträgen zum Aufsatz; dann soll ihn Bloomfield, der jetzt fällig ist, korrigieren. Sofort beginnt dann die Arbeit am N. Orl.-Vortrag.

Gest. telef. ich kurz mit Helen, die ab nächster Woche wieder in N. Y. ist. Ich werde wohl Dienstag hineinfahren. Voegelins sollten diese Woche kommen; habe aber keine Nachricht.

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1940-41, Eintrag 1940-08-29
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.23)