OSKAR MORGENSTERN TAGEBUCHEDITION //
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tagebücher / 1940-41 / 1940-09-21

Sa. 21. Sept.

Mo-Di war die "Probe" in Hillside für New Orleans. Ich war durch arge Schmerzen sehr behindert. Aber auf McAlpins Rat ging ich zu Dr. Holdren in N.Y., der sofort feststellte, daß es keine Erkältung & Neuritis ist, sondern eine Verletzung an einer Rippe im Rücken (was auch ich Rainey gesagt hatte) & ich hoffe H's Erwartung, daß es ohne Bandagierung, die ich 2-3 Wochen zu tragen hätte, trifft zu. Dann könnte ich nächste Woche auch wieder reiten gehen. Es war schon sehr arg; ich kann mich nicht erinnern, jemals so starke Schmerzen gehabt zu haben.

So. war Mimi hier & es war trotz meiner Zustände ganz nett. Sie ging allein mit Mrs Bergen reiten & scheint es genossen zu haben. Am Nachmittag waren wir bei Neumanns zum Tee, wo noch 2 Alexander, 2 Pauli, 2 Veblen.

Gestern hatte ich wieder eine lange Diskussion mit Neumann über Zurechnung & Grenzproductivität. Er beharrt bei seinen Ansätzen in dem Aufsatz über Glgw.; ich muß sie nochmals prüfen. Mayers Lösung verwirft er; er versteht sie ebensowenig wie ich: N. meint, daß er auch ohne homogene Funktionen auskommt. Wir wollen dies fortsetzen. Er findet, daß eine seiner F. verblüffende Ähnlichkeit mit einer wichtigen Funktion der Thermodynamik hat. Es gäbe auch grosse Analogien zu „höherer“ & niederer Energie etc. Alles das ist sehr interessant & wird mich noch ausgiebig beschäftigen.-

Heute kommt Haberler (& Mimi).

Mein N.O.-Vortrag muß Mitte Nov. fertig sein. In Hillside verlangte man etwas "positiveres". Das erscheint mir sehr unwissenschaftlich, & ich werde es auch sagen. Jetzt werde ich mich darauf konzentrieren. Schumpeter würde meinen anderen Aufsatz für die Econometrica gerne nehmen; ich will es mit Hab. besprechen; Neumann will ihn auch lesen. N. ist wohl ein ganz grosses Genie. Er ist so lebendig, sobald nur irgendein wiss. Thema berührt wird. Dabei so einfach; er hat auch etwas sehr liebes an sich, trotz aller Schärfe des Denkens. Wir mögen uns beide sehr gut leiden & ich finde seine Gegenwart hier einen grossen Wert.

Weyl sah ich vorgestern kurz. Er ist noch immer böse auf Mortimer Adler, dessen Vortrag 'God & the Professors' er mir zu lesen gab. So konfuses & böswillig konfuses Zeug habe ich seit Wien nicht mehr gelesen. W. bekommt heute ein Ehrendoktorat in Philadelphia.-

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1940-41, Eintrag 1940-09-21
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.23)