OSKAR MORGENSTERN TAGEBUCHEDITION //
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tagebücher / 1940-41 / 1940-09-27

Fr. 27. IX.

Vorhin wurde die Unterzeichnung einer deutsch-ital.-japan. Militärallianz bekannt gegeben. Das wird nun US dem Kriege viel näher bringen. Es geht eben, wie ich schon immer erwartet habe: daß dieser Krieg die ganze Welt umfassen wird, daß es überall brandelt. In Dakkar hat man also alles verhaut. Warum können die Engländer niemals einen wirklich klaren Sieg erringen? Viell. können die US eine wirkliche Führung in der Welt – in unserer Welt – übernehmen. Aber wer? Willkie? Er hat wohl nicht das Zeug dazu. Und Roosevelt ist so instabil.

Die ersten Vorles. gingen ganz gut. Der Grad C. ist sehr klein, aber 2 Leute sind recht gut (ein Türke Rock Fellow dabei) & es dürfte möglich sein, den Hicks genau zu lesen. Ich habe wieder einmal Schwierigkeiten ans Schreiben zu gehen. Aber Morgen & So. werde ich mich sammeln können. Ich bin auch unruhig, weil ich einfach nur wieder Bewegung machen muß. Heute gehe noch einmal zur Bestrahlung; die Schmerzen haben schon fast ganz nachgelassen & ich hoffe in 2-3 Tagen wieder ganz in Ordnung zu sein. Es hat mich schon sehr behindert. Heute ist ein Tee bei Dodds; Mrs D. traf ich gestern & sie war recht nett.

Heute muß ich den Eltern schreiben. Es fällt immer schwerer, weil alles, was man schreibt, irgendwie stören könnte. Im letzten Brief von ihnen sah man, daß doch von den Bombardierungen im Reich viel gesprochen werden dürfte. Es wird nun so lange dauern bis es „vorüber“ ist; ob man sich je wieder sehen wird?

Ich fühle, daß ich so vieles allgemeines zu sagen hätte, daß ich stundenlang schreiben könnte. Aber das andere geht vor.

Mimi fährt – so plante sie – nach Virginia Beach. Ich weiss nicht, wie ich zu ihr stehe. Entrückt sie meinem Orbit? Sie leidet sicherlich & tut mir daher sehr leid. Wüsste ich Sie glücklich, so wäre es mir leichter; so aber fühle ich, daß ich sie einfach nicht lassen kann, weil ich sie im Stich liesse. Und das darf nicht sein. Ich muß eben in meiner Arbeit Genüge finden.

Einen Artikel von Mortimer Adler in Harpers gelesen. Mit einem nassen Fetzen zu erschlagen. Man sollte dem Burschen schon einmal gehörig antworten.

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1940-41, Eintrag 1940-09-27
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.23)