OSKAR MORGENSTERN TAGEBUCHEDITION //
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tagebücher / 1940-41 / 1940-09-29

So. 29. IX.

Fr. bei Neumanns zum Nachtmahl & dann mit ihnen im Kino: Foreign Correspondent; übler Kitsch. Aber sonst war es nett. Clari – wie sie jetzt genannt werden will – meinte, daß Johnny mir sehr gewogen sei.

Gestern, bei herrlichem Wetter (heute noch schöner) wieder reiten. Tom war sehr verwundert, daß ich fast den ganzen Weg im Schritt ging. Er wäre so gerne losgeprescht, aber es tat ihm gut zu sehen, daß geschieht, was ich will. Ein nettes Pferd, sehr schnell. Einmal scheute es sehr & stieg kerzengrad in die Höhe; aber ich hatte ihn im selben Augenblick. Heute spüre ich meinen Nacken etwas; das können jedoch auch leichte Reitschmerzen sein. Viell. gehe ich morgen oder Di. wieder. Ich will mir nichts verderben.

Verschiedentlich an der Univ. Montag schickte Loveday mir den offiziellen Brief wegen der Delegations-Sitzungen & deren Beschäftigung mit Nachkriegsproblemen. Ich werde Dodds eine Kopie schicken & dann mit ihm sprechen. Ich muß jetzt doch schauen, daß mein Appointment auch formell dauernd gemacht wird, denn wenn US Krieg erklärt – was binnen weniger Monate geschehen kann-, würden Schwierigkeiten kaum zu vermeiden sein. Die Völkerbundsache sollte eine Hilfe sein.

Meine Arbeit häuft sich, so daß ich etwas verwirrt bin. Den Bus.Cycle Aufsatz möchte ich aus den Händen haben; jetzt liest ihn Nurkse. Kammerer sagte mir, daß der Nath. Iud. Conference Board mich als Mitglied eines Comités über Nachkriegs-Internat. Handel haben möchte. Und so geht das alles weiter. N. Orleans ist das ärgste Kopfweh. Der Grad. Course muß auch in Fluß kommen.

Lovasy ist umgezogen, weil Kahlers zurückkamen; sie dürfte morgen od. übermorgen ins Spital müssen. Sie ist sehr schwach aber ganz ungemein tapfer.

Bloomfield ist fleissig; mehr als Hannay, & ich denke, daß wir bald etwas rascher vorwärts kommen werden. Im Inst. f Ad. St. ist jetzt als Assistent von Earle ein Herr Lauterbach aus Wien; ein miserabler kleiner Jude, der sich in unseren Seminaren zeigte. Daß E. niemanden besseren finden konnte!

Was für ein herrlicher Herbst. Ich fühlte mich gestern gleich viel wohler, wirklich durchblutet, auch nach diesem bescheidenen Ritt.

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1940-41, Eintrag 1940-09-29
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.23)