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tagebücher / 1940-41 / 1941-01-27

Mo. 27. I. 41

Mittw. mit Johnny nach Phila gefahren, per Auto, der nach Aberdeen weiter mußte wegen seiner Ballistik. Bes. angenehme Fahrt mit glänzender Unterhaltung. Ich traf Mimi nur auf 2 Stunden & wir fuhren dann beide sogleich heim. Sie übrigens sehr ungern! Hat sich ein Auto gekauft (Studebaker 1940, $ 500.-!) Jetzt wird sie ja wohl bald sehen, wie schwierig es hier sein kann zu fahren & ich hoffe, sie ist sehr vorsichtig.

Im übrigen endlich am Hicks geschrieben. Es wird zu lang werden, aber zunächst schreibe ich einmal darauf los. Mit der Zeit wird ein MS zustande kommen & Gestalt annehmen.

Sa. konnte ich wieder nicht zu Haberlers fahren, weil Ellis kam. Wir verbrachten den ganzen Tag miteinander & es war sehr nett. Ich wünschte, wir könnten ihn hierher bekommen. Viell. wenn Kemmerer in Pension geht.

So. Lunch bei Thomas (der krank war), nachher 1h reiten & heute spüre ich es. Daher werde ich es so bald wie möglich wiederholen. Mi. konnte nicht kommen. Am Abend mit Neumanns bei Morses (kurz). Heute war ich kurz in N.Y., lunchte mit Diana, sah mit ihr die – etwas mässige – Greco Ausstellung. Den Abend – es schneit seit 2 Tagen – endlich einmal allein zu Hause. Mittw. ist mein Vortrag bei den N.J. Bankers hier. Ich muß das morgen ausarbeiten.

Den Italienern in Afrika geht es immer schlechter. Ich glaube sie werden dort ein fürchterliches Debakel haben. Das würde wirklich sehr weittragende Folgen haben, obwohl der Schlüssel zur Lage in Engl. selbst liegt. Wir werden in den nächsten 2-4 Monaten fürchterliche Dinge hören.

6 schwere Highball Gläser gekommen (Steuben). Herrlich. Werde heute allein einen trinken!

Von Muttel vorhin einen rührenden Brief erhalten. Mein Kabel kam am 24. früh, & am selben Tag 2 Pakete, die sie unbändig zu freuen scheinen. Die Armen. Werden wir uns jemals wiedersehen?

Später

Ich habe deutlich das Gefühl einer Befreiung von Vorurteilen, von Bindungen an Theorien, und allgem. Ansichten. So wie wenn ich mich häutete (hoffentlich aber doch einiges übrig bleibt). Ich bin auch im Bereiche des Gefühlsmässig manchen kleineren Freuden leichter zugänglich & sehe jetzt, was ich oft für ein Esel gewesen bin. Irgendwie alles zu tragisch genommen; das muß von Erziehung & dem 1. Krieg hergerührt haben. Ich hoffe, daß diese Befreiung nicht zu Haltlosigkeit treibt. Gewisse Schwierigkeiten, die mir neu sind, habe ich schon bemerkt; so z. B. der Gedanke sich zu binden erscheint mir sehr ungeheuerlich. Ich will dabei gar nicht sagen, daß ich nur skeptischer werde. – Immerhin, der Prozess ist mir deutlich bewusst & stimmt mich nicht trübe.

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1940-41, Eintrag 1941-01-27
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.23)