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tagebücher / 1940-41 / 1941-02-22

Sa. 22. Feb.

Den ganzen Tag gearbeitet, nur zwischen hinein die Fidelio-Übertragung gehört. Der Aufsatz hat wieder Fortschritte gemacht. Der 1. Entwurf müsste in 1 Woche fertig sein. Dann ständig ausfeilen. Es sind jetzt fast 8000 Worte & es werden noch 2-3000.

Dieser Tag hat mir gut getan. Ich liebe es, intensiv nachzudenken, auch über andere Dinge; alles kommt dann von alleine. Es gibt, wie ich sehe, viele Dinge, die mir selbstverständlich sind und die, wenn ich sie anderen andeute, überraschen. Es scheint, als ob ich ein wesentlich verschobenes Weltbild in mir trüge. So vieles von dem, was heute ernst genommen, ist für mich einfach zerfallen & nicht mehr da. Aber nicht im negativen; weil ich hinter dem Schutt das Licht neuer Wissenschaft sehe. Aber was soll das hier. Und heute! Gestern sah ich einige Bilder Life über Hinrichtungen polnischer Zivilisten; die übrigen mussten die Gräber graben. Das ist unsere Welt & Wirklichkeit. – Und es gibt so wenig Hoffnung. – Und so wenig Menschen, auf die es einem ankommen muss; nach so vielen Enttäuschungen. –

Ich freue mich auf Montag Abend.

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1940-41, Eintrag 1941-02-22
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.23)