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tagebücher / 1940-41 / 1941-07-16

Mittw. 16. VII.

Heute wurde der 4 Wochen alte Verband abgenommen. Die Haut schaut schrecklich aus, der gesunde Mittelfinger ist geschwollen & ich kann ihn noch nicht gerade machen, aber die Geschwulst geht zurück. Der Zeigefinger ist noch ganz steif & in der Position … Es wird noch arg weh tun, aber mit der Zeit wird es werden.

Gestern bei Neumanns zum Nachtmahl, ganz nett, aber keine wiss. Gespräche. Wir gingen dann zu mir & Clari & ich hörten Brahms, währen Johnny mit Erstaunen in Sorokim Blätterte. Ich werde von jetzt ab jede Woche 3h der Math. widmen. J. meint, ich solle den Fraenkel Mengenlehre nochmals genau lesen, womit ich bereits angefangen habe.

Jetzt beginne ich mit dem 1. Kapitel des Aufsatzes über die Spiele. Eine frühere Version muß umgeschrieben & erweitert werden.

Allmählich kann ich mich nun auch mit der Broschüre beschäftigen. Die Maximen möchte ich auch umschreiben. Wenn ich die blöden Schmerzen nicht hätte & die Maschine benützen könnte, würde alles leichter gehen.

Zum ersten Male geben die Nazis zu, daß die Russen schwere Gegenangriffe machen. Man hört jetzt auch über die engl. Luftangriffe. Die grössten Beschädigungen sollen in Hamburg, Hannover, Münster & Köln sein; in vielen Fällen schlimmer als in Coventry & auch 1000e Tote. Die Gestapo siegelt diese Orte ab, aber das wird nicht viel nützen. Man wird sicher demnächst auch Linz (Göringwerke) & Wr. Neustadt bombardieren (Flugzeugw.). In Öst. wird das zu einem phantastischen Sinken der Arbeitsleistung führen.

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1940-41, Eintrag 1941-07-16
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.23)