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tagebücher / 1941-43 / 1941-12-02

Di. 2. Dec. 41

Wieder mit dem Buch weitergekommen. Jetzt ist die Sache mit der vollen Informiertheit erledigt. J. & ich haben eingehende Disk. gehabt. Es ist sehr schön geworden, aber es erfordert einen sehr aufmerksamen Leser, wie sie in der Ökon. kaum zu finden sind. Die P.U.Press hat uns mitgeteilt, dass sie sich sehr geehrt fühlen etc. Wir glauben, dass es wohl 300 S. werden (im Druck). Das 2. Kap. ist fast fertig.

Gestern mit Kakutani gegessen; er war dann hier. Er behauptet, Johnny sei vom Rang eines Hilbert oder Poincaré. Neulich präsentierte K. ihm ein schwieriges Problem, über das er Jahre nachgedacht hatte. Um ½ 1h verliess er Johnny, der ihn um 2h anrief & sagte, daß er es (offenbar während des Mittagessens!) gelöst habe. – Er trug jetzt 4h einen Beweis zur Operatorentheorie vor, der ganz neu ist. J. hat nicht ein Wort davon auf Papier aufgeschrieben! –

Das letzte (2!!) Seminar am Freitag war typisch: verbal economics. Ein Herr Reynolds aus Johns Hopkins sprach. Vollkommen unklar, was er eigentlich wollte.

Der Grad. Course geht ganz gut, aber nicht prächtig. Die Leute wissen zu wenig, so daß man nicht viel voraussetzen darf.

An die Eltern geschrieben; die Armen. Es muß ja grässlich sein, dort zu leben.

Eben teilt man aus Rom mit, daß eine revolutionäre Organis. aufgedeckt wurde. 60 Pers. verhaftet. Das ist alles noch zu früh. In Libyen haben die Engländer eine arge Niederlage erlitten. Sie sind einfach nicht fähig. Ich habe ihre Dekadenz seit Jahren behauptet. Ohne amerik. Eingreifen & Führung wird das nicht zu machen sein. Auch die Russen sind viel bessere Soldaten, scheinbar auch besser geführt.

Jetzt muß ich mich mit konvexen Vektorräumen, dem Farbraum & ähnl. beschäftigen. Johnny hat nun zugegeben, daß die Indiff. C.analyse fallen muß: entweder numer. Nutzen, oder teilweise geordnete Mengen; beides schliesst die Ind.ff. c. aus. (Im 1. Fall sind sie unpraktisch). Das wird ein schönes Geschrei geben. Ich bin noch immer der Ansicht, daß die öst. Fundierung der Nutzen nicht identisch ist mit der der Ind. Curven. – Das werden wir bald diskutieren. Es gibt noch so viele weitere Dinge! Aber daran zeigt sich die Wichtigkeit der Theorie & die Stärke der analytischen Methoden (die noch sehr zunehmen wird). Es ist sicher nicht übertrieben, zu sagen, daß eine Revolution in der Ök. folgen wird.

Madeline konnte So. nicht kommen, weil sie gerade vorher aus Florida zurück war, wo sie etwas gearbeitet hatte. Sie kommt aber diesen Sonntag. Do/Fr. bin ich in N.Y. bei der Conf. on Research in Finance. Alles kommt wieder, wie in Washington: Aldrich, L. Frazer, L. Douglas, Sproul (der neulich hier war) etc. Ich hoffe Haberler dort zu sehen.

Kittredge sah ich kurz am Samstag; mit Frau. Ganz nett. – Sonst ist wenig los. Man hat etwas mehr mit der Univ. zu tun; ich mußte einen hourtest geben wegen Harvard etc. Die Vorles. machen aber keine bes. Arbeit, weil ich so tief in den Dingen stecke. Manche Leute sagen mir, daß sie mich nie in so guter Form & Stimmung gesehen hätten, wie jetzt. Das ist Johnny zuzuschreiben, der mich eben ganz aufgeweckt hat. Auf einmal gehen Dinge in Erfüllung. Ich dachte immer an die Verwendung der Boole'schen Algebra für die Ökon.; und hier ist es nun & noch weit mehr. Und ich sehe auch, daß die intellektuellen Freuden eben sich mit gar nichts anderem vergleichen lassen.

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1941-43, Eintrag 1941-12-02
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.24)