24. Dez. 1941
Weihnachtsabend. Es ist 6h; in Wien schon nach Mitternacht. Die Armen werden ein trauriges Fest gehabt haben; nicht einmal ein Kabel konnte ich senden: Krieg seit 2 Wochen. Darüber später. Sie durften aber gerade noch einen Brief bekommen haben. Im Reich gibt es diesmal keine Weihnachtsbäume, keine extra Rationen etc. Die grossen Niederlagen in Russland sind der Anfang vom Ende. Mein Verstand sagt mir, daß der Krieg noch sehr lange dauern wird, aber ein Gefühl teilt mit, daß es rasch gehen wird. Hitler wird wohl immer verrückter. Seit er das Kommando auch formell übernommen hat, wird er niemanden mehr entlassen können, wenn etwas schief geht. Er wird natürlich etwas ganz tolles versuchen. Der letzte Aufruf war schon sehr merkwürdig. Im Pazifik geht es nicht so gut; am wichtigsten sind Hawaii und Singapur; die muß man beide halten; dann erst die Offensive.
Das Sem. ist vorbei, soweit es (meine) Vorlesungen betrifft. Es wird aber viel mehr zu tun geben, wegen des Krieges. (Summer School etc.) Ich hoffe, daß sich für mich im Jänn. nichts ändert, weil ich alles an das Buch setzen will. Wir haben das MS der P. Univ. Press bis Ende Januar versprochen. Titel: "Mathematical Theory of Economic Behavior". Wir haben guten Fortschritt gemacht, viel zus. diskutiert & geschrieben. Vorigen Freitag fand ich einen Beweis des Min Max Satzes von de Ville, in einem Buch von Borel; beides Johnny unbekannt. Nun hat er weitere Beweise erfunden, die immer einfacher werden & rein algebraisch sind!! Das erfordert einige Änderungen im Text, aber wir können den Beweis abdrucken. Er brütet momentan über der ganzen Geschichte. Es muß auch wieder ein erläuterndes Kapitel eingeschoben werden (über Vektoren & lineare Räume etc.). Das Buch wird ziemlich groß werden. Nach den Feiertagen werden wir wieder weiterschreiben. Ich habe viel Mühe, die Math. weiterzutreiben; jetzt waren es die Konvexen Körper. Es ist aber so erfreulich, daß dies alles so geht. Die Arbeit über die Nachfragekurven wollen wir nach dem MS fertigschreiben. Johnny sprach auch von einer gemeinsamen Untersuchung über das Probl. des allg. Gleichgewichtes (seine Arbeit auszubauen & ökon. in richtiges Licht zu setzen). Das wird alles noch viel ergeben, bes. wegen des eigenartigen Wiederauftretens des Minimaxproblems in der letzteren Arbeit. (Nun auch vereinfacht wegen der neuen Beweise.)
Ich habe mich die letzten 2 Wochen nicht wohl gefühlt, Magenschmerzen. Viell. nur überschüssige Säure; ich muß etwas Aluminium essen. Es dürfte wieder besser werden.
Madeline vorgestern gesehen. Sie sah hübscher aus als jemals. Sie schickte mir als Weihn.geschenk ein surrealistisches Pferd mit einer Zirkusreiterin! Von Neumanns 2 sehr schöne Kissen. Ich schickte Clari eine Steuben Zigarettendose & Johnny einen kleinen freudigen Chinesen ("sich über den neuen MinMax Satz freuend").
Mimi ist sehr unglücklich & nervös. Sie kommt doch heute & bleibt bis morgen. Ich habe ihr einiges zu geben, z. B. einen alten Druck von Princeton etc.
Madline gab ich ein Buch: Osgood: Poetry as a Form of Grace; & eine silberne Zigarettendose von Tiffany.
Lovasy ein Buch über Goya & ein chin. Deckerl.
Bald mehr. Morgen bei Jones' zum Dinner geladen. -
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.24)


