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tagebücher / 1941-43 / 1942-01-27

Di. 27. I. 42

Vor 4 Tagen ein Brief von Muttel! Mir blieb das Herz stocken. Ein sehr lieber Brief; gerade noch vor Kriegserklärung abgegangen. Ich habe ihn mit viel Wehmut gelesen, gelesen – .

Die Österreicher sind also ausgenommen und brauchen nicht zu registrieren (als Enemy Aliens). Das ist sehr angenehm, weil man in einer anderen Atmosphäre lebt.

Freitag in N.Y. Ntl. Bureau, ganz interessanter Bericht über Stocks v. Abramovicz. Mitchell kommt Freitag hierher & spricht im Seminar. – Nachher mit Madeline im "Parisien". Es war sehr nett & sie sah in einem sehr schicken Kleid noch anziehender aus als je-.

So. war ein Konzert, Cone spielte eine A-dur Sonate v. Schubert (posth.), sehr interessant & DeWald sang Schubertlieder, die ich nicht mag, so sentimental, & so dummer Text. Am Abend wurde bei DeWald (im Hause) weiter musiziert. Sein Gesang eignete sich dort besser, als in Procter Hall (wo es ein Echo zu geben schien).

Mimi kam Samstag auf 2-3h von N.Y. Wir waren kurz bei Neumanns, sie haben natürlich viel zu tun, 5fache Prod. vorgesehen, neuer Fabrikbau etc. Sie leidet unter abscheulichen Anfeindungen anderer Frauen. Ich weiss aber nicht, was man machen könnte. – Es rächt sich nun allerdings auch manches aus ihrem früheren Leben. Es tut mir unendlich leid.

Prüfungen etc. – Die Zahl meiner Studenten stieg von 30 auf 45 für nächstes Sem. Das wird ein arges Gedränge mit den Precepts geben.

Johnny fuhr So. früh bis heute Abend n. Aberdeen und hinterliess mir 10 Seiten MS über Poker, die mir arge Kopfweh bereiten, weil dort Tensoren hereingebracht (aber nicht erwähnt sind). Morgen werden wir weitersehen.

Gestern allein bei Weyls zum Dinner. Wir hatten uns schon lange nicht gesprochen. Es war bes. nett. Er hat grosse Fortschritte in der Hydromechanik gemacht. Sie soll seine Phil. d. Math. übersetzen – wozu ich ihn vor Monaten reizte – findet es aber zu schwierig.

Ich habe grosse Freude an der Math., bes. weil ich sehe, daß man eben doch hineindringen kann. Es ist schon fast eine Leidenschaft & es lässt mich nicht los. An jedem Tage muß ich etwas machen. Was das für mein allg. Denken tut & tun wird, ist nicht abzusehen. Es ist auch noch nicht zu spät. Übrigens: Samstag war ich 40. Niemand gratulierte, Mi. rief Sonntag an. –

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1941-43, Eintrag 1942-01-27
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.24)