OSKAR MORGENSTERN TAGEBUCHEDITION //
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tagebücher / 1941-43 / 1942-03-15

So. 15. III. 42

Ein grosses Unglück: Mimi ist vor 2 Wochen in Haft genommen worden & ist in Glouchester City untergebracht. Grund: Sie habe ein Radio & Kamera. Dabei ist sie unleugbar Engl. Subject. Natürlich steckt mehr Feindschaft dahinter, aber diese charge wird sich widerlegen lassen. Ich war gestern bei ihr; es geht passabel, aber nicht gut. Sie ist jetzt böse, und das kann natürlich bei dem Hearing, das Sa. oder M. 23d. sein soll, schaden. Ich werde nun alles in Bewegung setzen. Traf mich gestern mit Rostler in N.Y. & wir besprachen alles genauestens. Mit Aydelotte beraten, der ein gutes Wort eingelegt hat. Ferner heute mit Opie tel., der etwas durch die Botschaft machen kann, was bestimmt zumindest Eindruck macht. Ferner habe ich Rostler an ihre Schwiegereltern kabeln lassen, die per Kabel mit Konsul in Phila. aufstören müssen. Dadurch wird bewiesen, dass die Ehe echt ist. Der Mann ist in Afrika & kaum so schnell zu erreichen. Ich soll noch an Opie schreiben. Kittredge hat sich auch sehr freundlich eingesetzt. Johnny wird mit Aydelotte nochmals sprechen. Dann hat sie die Hilfe ihrer Firma. Zum Schluß kommt es darauf an, wie sie bei dem Verhör sein wird. Ich kann nicht glauben, daß es schiefgehen kann. Sie tut mir unbeschreiblich leid. Ich werde nie den Blick vergessen, mit dem sie zum Fenster hinausschaute, als ich fragte, ob sie an die Luft gehen dürfe. – Ich werde wohl Dienst. nach Philad. fahren, um mit dem brit. Consul zu sprechen. Wir werden Himmel & Hölle in Bewegung setzen. Dann aber muß sie etwas zur Vernunft kommen! D.h. in ihrer ganzen Lebensführung, die zu konfus ist. – Clari will sie eine Woche aufnehmen, damit sie sich wieder zurückgewöhnen kann. Das ist sehr wichtig.

Die Arbeit ging mit mehr Schwierigkeiten weiter. Wir sind tief im 6. Kap., viell. noch 20-25 Seiten zu schreiben. Die P.Univ. Press hat schon 40-50 Bestellungen!!

Heute mit Lovasy & Kakutani bei Neumanns zum Dinner. Meist über Geographie gesprochen. Lovasy hat sich neulich arg blamiert mit Indiff.kurven. Dabei ist sie so doktrinär; jetzt bin ich schon ganz skeptisch. – Tintner kommt Do. und spricht über "A simple theory of the Bus. Cycle". (z.T. math.) In unserem Buche machen wir eine Bemerkung, daß die Leute, die so etwas tun wollen, keine Ahnung vor den Schwierigkeiten haben. Johnny sagte einmal, daß man "eine Million Meilen in der Öko. davon entfernt sei, so Phys. heute mit ihren Differentialgleichungen hält". –

Vor 8 Tagen war Madeline hier. Sie war sehr konfus, und am Sa.abend wurde ihr schlecht, offenbar zu viel getrunken; dann weinte sie usw. Es war eigenartig und hat mich sehr abgekühlt. Was ist bloß mit den Frauen los? Clari hat auch die eigenartigsten Ideen, so daß Johnny mir gesagt hat, es sei ganz albern, und solle sie ebensowenig ernst nehmen, wie er sie. Z.T. ist sie eifersüchtig, d.h. daß er eben mehr interessiert als sie (was richtig ist). – Helen Tay, ca. 30, hat einen 60jährigen Mann geheiratet (stark, Pres. Ritz-Carlton)! usw. Ich glaube, die Frauen vertragen die unruhigen Zeiten schlechter. – Wir haben ja ausserdem noch die Wissenschaft, an der wir eine feste Stütze finden.

Vorigen Do. Bericht im Grad.Course, über Hayek's "Pure theory of Capital". Es ist der höhere Unsinn. Eine grauenvolle Rabulistik. Fortwährend wird von "Investm.function" gesprochen, aber von einer Präzisierung des Begriffes ist keine Rede. Er weiss wohl gar nicht, was eine Function überhaupt ist. Diese Art ökon. "Theorie" muß verschwinden.

Leider habe ich infolge der Wirren dieser Woche meine Eink.Steuer nicht fertig machen können. Das muß morgen geschehen und ich will es einen Mann in Trenton ausrechnen lassen.

Es gäbe noch sehr viel zu schreiben.

Java ist nun auch verloren, und Rangoon. Aber einmal muß sich doch das Blatt wenden. Die Prod. hier steigt enorm. Ich fürchte nur, man kommt mit dem Schiffbau nicht nach. –

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1941-43, Eintrag 1942-03-15
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.24)