OSKAR MORGENSTERN TAGEBUCHEDITION //
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tagebücher / 1941-43 / 1942-04-14

Di. 14. IV. 42

Vor einigen Tagen einen langen Brief v. Erzherzog Felix. Er fragt über so viele Dinge was ich denke, daß man ein Buch schreiben müsste. Ich habe ihm geschrieben, daß man dies am besten mündlich besprechen solle.

Seit Sa./So. leider erkältet. Nicht arg, aber störend. So konnte ich auch heute, bei dem herrlichsten Wetter, nicht reiten gehen. – Heute früh mit Rostler tel. Noch immer kein Bescheid; es soll angeblich bis Ende der Woche dauern, ehe man aus Wash. hört. Morgen muß ich n. N.Y.; Sitzung im Ntl. Bureau, wo neue Studien – über "War Cycles" – geplant werden. Viele Mitarbeiter gehen verloren. So ist es überall.

Mein unangenehmes Ekzem an den Beinen – das nicht schmerzt – geht kaum zurück. Es müsste etwas gemacht werden.

Den grössten Teil von Einstein-Infeld: Evol. of Physics gelesen. Ein elementares Buch, aber sehr schön; so klar. Gestern im Grad. Cours Kalacki besprochen, mit dem Buche in frischer Erinnerung. Es ist eben so, daß die Ökon. überhaupt nicht wissen, was Wissenschaft heisst. Mir ekelt geradezu vor dem vielen Schmarrn. Lovasy kam aus Harv. zurück. Der Frau Hab. soll es viel besser gehen. Er lernt Math. (!); Johnnys Vortrag scheint ihm nicht bes. gefallen zu haben. Wahrsch. nicht verstanden. Dagegen soll Leontieff sehr begeistert gewesen sein.

Morgen wieder Vorlesung. Noch 5 Wochen mit dieser. Es wird nicht so arg werden.

Heute bei Johnny: Axiomatisierung von a u + (1- a) v [i.e. Nutzenrechnung] mit den Zahlen zusammen. Es entstand allmählich immer rascher & zum Schluß, nach 2h (!) war es fast völlig fertig. Es war ein grosser Genuß, & bewegte mich so sehr, daß ich nachher an gar nichts anderes denken konnte. Ich empfinde immer mehr den ästhetischen Genuß, der mit der Math. verbunden ist. Ich glaube, daß dies einer der hauptsächlichsten Merkmale ist. Jetzt ist also die Nutzenmessung in einer Weise dargelegt, wie es überhaupt nichts derartiges in der ganzen Ökon. gibt. Wir schreiben 3 Seiten um (wieder länger!) aber werden den ganzen Beweis nicht abdrucken. Es gibt schon noch ernste Fragen dort. Insbes. die Frage des Risikos & der Freude am Wetten. Aber das gehört nicht ins Buch; viell. später einmal.

Gestern Abend Marston Morse's Vortrag im Ex: "Equilibria in Mathematics". Sehr schön. Mit Ausnahme einer einzigen Sache hatte ich alles gekannt. Das machte mir besonderen Spaß. Es zeigt sich, daß man eben doch etwas lernen kann. Und ich habe nun auch Übung & wenig Scheu vor der formalistischen Seite der Math. Marston ist ein guter, sehr klarer Vortragender.

Wie es wohl den Eltern & Hannchen gehen mag? Ich kann an die Armen gar nicht denken, ohne daß es mir das Herz krampft. Heute einmal an Amonn geschrieben, von dem ich schon lange nichts gehört habe. Ich musste auch an Hayek schreiben. – Rosenstein ist seit etlicher Zeit verheiratet & lebt in Aberystwigth. (Dem wird das Buch auch Schmerzen bereiten!).

Im Mai soll ich im Ntl. Bureau über meine Arbeit sprechen. Da werde ich ihnen einmal meine Statistiken vorsetzen. Mit ihrer Methode ist vieles faul; wenigstens soweit sie meine Probleme angeht. –

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1941-43, Eintrag 1942-04-14
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.24)