Di. 8. Sept. 42
Heute die Broschüre abgeschlossen. Miss Anderson wird morgen herkommen und Textkritik machen. Sie dürfte nach ihrer Schätzung ca. 90 (!) Druckseiten haben; es hat mir ziemlichen Spaß gemacht. Jetzt werde ich entweder die theor. Abhandlung fertig machen, oder eine über die Krise von 1907 schreiben. Ich will auf Mitchell warten.
Das Kapitel über die Einf. Spiele ist fertig und wieder über 100 S.!! Und z.T. weiss Gott nicht leicht. Johnny war beide Weekends hier & kommt So.-Di. wieder. Ich habe keinen Urlaub. Viell. fahre ich nächste Woche auf einige Tage. Aber alles das geht vor & macht nur viele Freude. Sa.-So. mit Dave reiten gewesen, bei herrlichstem Wetter jedesmal 2 1/2h. Er ist sehr nett und wir haben uns sehr angefreundet.
Madline war Sa./So. vor 8 Tagen hier. Es gab eine Abschiedsparty für Johnny bei Smyth's. Sie wohnte in der Tavern. So. waren wir bei Neumanns zum Dinner, bei Weyls zum Tee, wo noch die Myrdals waren (die dieser Tage nach Engl.-Schweden fahren). Madline war auch bei mir, ganz reizend und ich habe sie unbeschreiblich gern. Aber sie? Sie ist mir sehr zugetan, in N.Y. sahen wir uns in den letzten 3 Wochen öfter, weil ich 2-3 Tage jede Woche im New Weston wohnte. Sie ist stets bereit mich zu sehen & erfreut sich daran. Ich gab ihr eine chin. Jade Figur (von Long Saiy Ti.) & ein jap. Bild, um ihr Zimmer im New Weston etwas zu schmücken. Ich finde, daß sie sehr intelligent ist, bes. gut beobachtet. Sie hat mir einige Dinge über Leute hier gesagt, die mich staunen machten. Louise Morse ist übrigens fest davon überzeugt, daß wir ein Verhältnis haben, wie mir Madline mit Vergnügen erzählte. So auch ihre Freundin Anne Cratty, eine junge Schauspielerin, die sie vor 14 Tagen hier besuchte - !
Ich lebe sonst ganz zurückgezogen & bin sehr fleissig. Ich sehe ein enormes literarisches Programm vor mir. Das Buch wird noch viel Arbeit machen. Die Gefahr ist, daß Johnny nach England oder China geschickt wird. Hoffentlich nicht vor Weihnachten. Die technischen Sachen kann ich dann schon allein übernehmen. Ev. muß das Buch warten. Niemand wird etwas davon wegnehmen!
Do. will ich nach N.Y. fahren, um den Abend mit Madline zu verbringen. Ich werde übernachten.
Meine ganze Lebensauffassung ist in den letzten 2 Jahren so tief beeinflußt worden. Der Krieg ist grauenhaft. Es muß ein fürchterliches Schlachten sein, bes. bei Stalingrad. Aber Hitler wird nicht gewinnen.
Neulich haben die Russen Budapest bombardiert. Nun wird es wohl auch einmal mit Wien werden. Was für ein Zwiespalt in mir, wenn ich an die armen Eltern & an Hannchen denke. Es steht ihnen noch so viel Elend bevor. Und es kann & darf gar nicht anders sein. Es macht mich oft ganz krank.
Ich wünschte, ich hätte Madline hier & wäre in ihren Armen.
Vor 10 Tagen hat Diana geheiratet. Sie schrieb mir. Sie wird auf einer Farm bei Washington wohnen; der Mann ist Anwalt. Es gab mir etwas einen Stich, für einen Augenblick. Ich muß ihr nun schreiben.
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.24)



