OSKAR MORGENSTERN TAGEBUCHEDITION //
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tagebücher / 1941-43 / 1942-11-08

So. 8. Nov. 42

Unterbrochen: Madeline war lieber & herzlicher als je & wir haben damals unseren innigsten Abend verbracht. Seither habe ich sie nicht gesehen. Sie ist heute in Arizona! Sonst wäre sie dieses Wochenende gekommen. Ich war nicht in N.B. & alles war Konfusion, weil ich 3 Tage in Wash. war, wo Johnny & ich sehr intensiv arbeiteten & grosse Teile des Kap. XI (gen. n) geschrieben haben. In 8 Tagen setzen wir hier fort. Es scheint, als ob wir doch Ende des Jahres fertig würden. Jetzt interessieren sich auch Weyl & Pauli für das Buch & wollen es lesen.

Ich entbehre Madelines Gesellschaft sehr. Sie brachte letztes Mal Gracian's Handorakel in einer schönen Ausgabe & schickte vorige Woche eine Flasche Atkinson Old Briar Eau de Cologne. Sie dürfte in 8 Tagen zurück sein & da werden wir uns beide freuen. Wir haben einige Male telefoniert.

Also ganz grosse Nachrichten: Rommel in Afrika vernichtend geschlagen, von 140 000 Mann etwa 100 000 gefangen! Gestern Invasion Nordafrikas durch Amerika. Abbruch mit Vichy, Öffnung des gesamten Mittelmeeres und daher bald weitere Offensiv Operationen gegen Südeuropa. Grosse Luftangriffe auf Genua, Milano etc. – Nun ist also alles im Fluß. In Russland sind die Nazis auch nicht weiter gekommen. Es wird noch viele Kämpfe geben, aber ich bin fest davon überzeugt, daß nächsten Nov. Hitler völlig geschlagen ist. Es wird ein schauriges Jahr werden. Es scheint, als ob die Nazis viel morscher sind, als man glaubt, denn die Grösse des Rommelschen Zus.bruchs lässt sich anders kaum erklären. Wie morsch muß dann erst Italien sein. Wer weiss, ob Mussolini noch bis Weihnachten dauert!?

Im State Dept. mit Thornburg wieder ausführlich gesprochen. Er hofft, mir in etwa 6 Wochen eine Outline schicken zu können. Das würde ja mit der Zeit gut passen. Dann sind auch die Vorlesungen vorüber. Wer weiss, wie lange die Univ. noch offen bleiben wird? –

Habe wieder die Sache mit den Nachfragekurven gesprochen. Mr. Anderson ein Math. Instruktor, sehr nett & gescheit, sah alles sofort ein & wir haben noch weiteres gefunden, was ich noch weiter ausgedacht habe. Es gibt eigenartige Unstimmigkeiten in der bisherigen Theorie, die nur durch zusätzliche Annahmen vermieden werden können. Das muß alles mit Johnny besprochen werden. Wir dürften wohl aber kaum zu dem gemeins. Aufsatz kommen.

Die letzten 2 x auf Grandslam geritten. Heute mit McAlpin. Ein herrliches Pferd, wunderbarer Dressur. 16 hands. Ungewohnt in der Landschaft, aber das wird sich geben. Das macht nun Freude. Es ist ein so wohldressiertes Pferd, wie die von den Rockefellers in Pocantica. Übrigens in Wash. mit John tel., der mich zum Dinner haben will. Mit Eve geluncht, am Dienstag. Sie ist viel zufriedener & geht ganz in ihrer Arbeit in Soc. Security auf. Das ist das richtige, & nicht Theorie, wie ich ihr schon 1926 gesagt habe. Ziemlich gealtert. Ich habe immer mehr das Gefühl, sehr ausserhalb der Welt der meisten Ökonomen zu leben. Ich bin scheinbar viel mehr mit wirklich math. Geiste in Berührung gekommen. Und wenn man einmal die Augen geöffnet bekommen hat, dann bleibt es dabei. –

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1941-43, Eintrag 1942-11-08
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.24)