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tagebücher / 1941-43 / 1943-01-01

1943

Neues Jahr. – Ich möchte eigentlich nicht viel aufheben machen, aber es gibt eine Nachricht: Am 28. Dez., Johnnys Geburtstag (39) beendeten wir das Buch!! Jetzt sind noch einige Verweise etc. einzutragen. Das wird mich in 10 Tagen nochmals nach Washington führen. Am 15. d. M. muß er sich dann bereit halten, um nach England zu fliegen – "for the duration". Ich habe die Vorbereitung zur Drucklegung & alles weitere zu überwachen. – Ich werde ihn sehr vermissen. Wir können es kaum glauben, daß alles fertig ist. Es sind rund 1000 Seiten MS (& fast 100 Figuren); das wird etwa 700 Druckseiten geben. Das XI. Kap. ist sehr schön geworden, & das letzte enthält viele Andeutungen für weitere Entwicklung. – Ich muß einmal etliches niederschreiben, über die Geschichte des Buches (und meinen minimalen Anteil; ich scheine jedoch als eine Art katalytischer Faktor auf Johnny gewirkt zu haben).

Vor Weihnachten erkrankte ich & habe auch jetzt noch nicht alles abgeschüttelt. Streptococcus im Hals & Ohr. Dazu Laryngitis & Taubheit. Die Ohren sind noch nicht ganz normal, aber es wird schon werden. Wegen des Sulfadiazine fühle ich mich noch matt, aber nächste Woche werde ich wieder reiten gehen (indoors).

Von Neumanns bekam ich einen Martini Mixer, von Madeline den "New Yorker", von Lovasy ein (hässliches) silbern. Tellerchen. Mimi konnte nicht kommen; sie ist in Florida, um ihre Scheidung einzuleiten – ! Madeline sah ich seit über 2 Wochen nicht. Leider ist sie gestern & heute nicht gekommen. Es stimmt etwas nicht – ich kann mir vieles denken; es ist eben so, daß wir zu weit auseinanderstehen im Alter, Interessen etc., obwohl wir immer glänzend auskommen & uns sehr mögen. Viell. sollte man eine Entscheidung & Klarheit herbeiführen. Es ist ungerecht ihr gegenüber, sie an mich zu halten, wenn wir doch nicht heiraten sollten. Aber es würde mich schon sehr schmerzen. Vor Weihnachten kaufte ich ihr ein herrliches goldenes Armband, das sie als Andenken haben soll. Ich habe es ihr nicht geben können, aber wir sehen uns Montag & viell. passt es dann. Es wird ihr sicher gefallen; es ist eine Extravaganz von mir, aber ich habe ihr so viele schöne Stunden zu verdanken, & sie soll es wissen. Ich fühle mich so zu ihr angezogen. Und sie hat mir wirklich Liebe geschenkt. – Sollten wir auseinander gerissen werden, so ist das eine weitere Vereinsamung, bes. da nun auch Johnny geht. Aber so geht es im Leben. – Noch ist es nicht so weit - & wer weiss, was es sonst gibt; wie oft doch alles immer noch ganz andere Alternativen enthält, als die wenigen, die man mit blöden Augen zu jedem Zeitpunkt sieht –.

– Jetzt wende ich mich ernsthaft der Arbeit für das Ntl. Bur. zu. Garvy hat wieder sehr gute Vorarbeit geleistet & ich werde bald schreiben können. Jetzt kann ich wenigstens mit meinen Gedanken bei der Sache bleiben & mich täglich mit ihr beschäftigen. Das wird wie Tag & Nacht sein. Auch der Grad. Course wird diesem Thema gewidmet werden. –

Sonst will ich jetzt nicht in Einzelheiten gehen. Der Krieg geht günstig weiter. Die Russen melden eben die Eroberung von Veliky Luki; ich glaube, daß die Deutschen schon viel schwächer sind, als wir uns vorstellen. In 2 Monaten wird man sie aus Afrika hinausgeworfen haben & dann kann man nach Sizilien gehen. In diesem Jahr wird Hitler geschlagen & ich bin der festen Ansicht, daß er im November nicht mehr an der Macht ist.

Ich würde gerne einige Tage Urlaub nehmen, ehe das Semester anfängt. Ich habe im Sommer gar keine Erholung gehabt & auch voriges Jahr (41) nur 1 Woche. Die Anstrengung der letzten Monate war sehr gross & das wäre so nicht weiter gegangen. Viell. fahre ich auf 4-5 Tage in die Poconos. Madeline sollte mitkommen.

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1941-43, Eintrag 1943-01-01
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.24)