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tagebücher / 1941-43 / 1943-03-20

Sa. 20. III. 43

Das Buch ist nun fast zur Gänze abgeschrieben. Es fehlt noch Kap. XI, das Miss Blake hat, aber auch das wird nicht länger als 14 Tage den Punkt verschieben, wann ich das MS übergeben kann. Gestern eine Besprechung mit D. Smith & Conkright. Man will das Buch auch attraktiv machen; es würde "forbidding" aussehen, wenn es genau wie die Anuals erschiene. Man muß bes. die genaue Gliederung hervortreten lassen. Die Zeichnungen der Mrs. Brown sind erbärmlich; daher werde ich sie Mr. Forman im Ntl. Bureau geben, der das kann. Aber wir wollen erst den Entwurf des Buches haben.

Do. war Bertrand Russell im Inst. zum Tee. Schaut sehr gut aus, und ist eben der sehr intelligente Mann, als den man ihn von seinen Schriften kennt. Mit der Math. hat er aber keine Fühlung mehr: Johnny & Siegel waren ihm fremde Namen!! Er sprach nachher. Behauptete, daß mehr Leute aus einfachen Kreisen in England als hier zu grossen Stellungen kommen. Das ist bestimmt falsch. Er hatte auch keine Beweise zu bieten. Dann meinte er, jeder Staat dürfe seine Staatsform (incl. totalitäre!) selbst wählen, wenn es nur "legal" geschehe. Ich sagte, daß das genau das Hitler-Prinzip gewesen sei & daß man inhaltlich definieren müsse, was zuzulassen sei. Er war etwas schwach in seiner Antwort, wie nicht zu verwundern. Er findet hier "an unalterable and deepseeted hatred of England" unter dem gemeinen Volk. Das ist auch übertrieben. Nichts was er sagte, stimmte wirklich & es enttäuschte mich. Ich hatte mich schon immer gefreut, ihn einmal zu sehen. Alles war dort: Weyl, Alexander, Siegel, Gödel, Pauli etc. Seinen Schriften habe ich sehr viel zu verdanken und es war nett, ihn einmal gesehen zu haben. Math. ist er nicht in erster Linie. Da sind Weyl, Johnny & Siegel viel grössere Leute; in der Logik wird er von Gödel weit übertroffen.

Gestern 4h in N.Y., nur im Bureau. Ich brauche nun einen Assistenten. Die Sache beginnt aber Form anzunehmen & ich hoffe bis Ende des Jahres ca. 300 Seiten geschrieben zu haben. Nächstes Jahr könnte das Buch erscheinen. Das wäre schön. Ich werde aber zu dem Gegenstand zurückkehren.

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1941-43, Eintrag 1943-03-20
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.24)