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tagebücher / 1941-43 / 1943-06-08

Di. 8. Juni 43.

Nur ein paar Worte: Weitere Verzögerungen mit dem Buch: Eisenhart hat das Comité nicht zus.bekommen, es wird noch 2 Wochen dauern. Dann erst kommt das Institut. Es ist grässlich. Das Buch wird dieses Jahr kaum erscheinen können.

Vorige Woche bekam ich meinen neuen Assistenten: Mr. Harry Oshima, ein Nisei. Gestern in N.Y. wieder mit ihm verhandelt. Er scheint ganz bei der Sache zu sein. Ich muß ihm etwas Zeit lassen, sich einzuarbeiten. Er hat alles mögliche von mir gelesen, so z. B. jetzt den Hicks Aufsatz, der ihm angeblich die Augen geöffnet hat. Er hat ihn mit einigen Stud. in Columbia besprochen, die eben Langes Vorlesungen gehört hatten. L. schwieg die Kritik tot. Oshima meint, daß so viele Studenten sich Keynes & Hicks zuwenden komme davon, daß die Kritik der Institutionalisten, oder der Leute wie Clark etc. nicht auf dem selben intellekt. Niveau stehe wie Keynes & Hicks. Er ist sehr neugierig auf die Theory of Games. Den J.P.E. Aufsatz fand er überzeugend etc. Es ist immer wieder dasselbe: Meine Arbeiten werden nicht gelesen & nicht goutiert, weil sie unbequem sind. Das geht aber immer auf die Professoren zurück, nicht die Studenten. Hier in P. habe ich selbst nicht die Wirkung, weil wir fast keine grad. Studenten haben & die wenigsten etwas wert sind. In Col. würde man eine ganz andere Wirkung ausüben; aber es würde viel weniger Zeit für ruhige Arbeit & Nachdenken bleiben. An so eine grosse Universität soll man erst gehen, wenn man steril geworden ist & nur das schon getane unterrichten kann.

Mi. war So. hier & gestern traf ich sie in N.Y. nach dem Büro. Wir hatten Tee bei Rumpelmayer, gingen in ein Touss Lux & assen bei An steak et pommes frittes. Ich fuhr um 9h heim.

Hula's waren Sonntag mit Haberlers eine Stunde bei mir. Ganz nett; ich glaube, er ist sehr faul. Kaufmann hat seine Methodenlehre ganz umgeschrieben und sucht einen Verleger. Es wird ganz interessant werden, aber schlimm. Hayek hat wieder einen sehr dunklen Aufsatz über "Scientism" geschrieben. "Erudiert".

Einige Male reiten gewesen. Sa. & So. früh um 7h bereits. Das war bes. schön & Grandslam schien sich geradezu zu freuen. Einmal mit Klari, die nun wieder anfangen will. –

Sa. eine lange Diskussion mit Sir Will. Beveridge bei Loveday. Noch: Haberler, Nurkse, Hilgert, Lindberg, Rosenburg. B. ist naiv. Er stellt sich allen Ernstes vor, daß Amerika nach dem Kriege die Flotte abschaffen wird!! Ich fragte ihn ausdrücklich 3 x, weil ich meinen Ohren nicht traute. Solche Phantasten machen die ökon. Pläne. Ich sagte dort, daß die Ökon. heute sich wie die Mittelalterlichen Goldmacher benehmen: sie versprechen ("full employment"), das Publikum will das dann & die Ök. wiss nicht, wie man es erreichen (und definieren!!) kann. Die Alchemisten hat man im analogen Falle geköpft. Es ist eine Schande. Dann wurden einige Comité's & Supercomité's vorgeschlagen. – Die intellektuelle Anstrengung eines Automechanikers, der einen Motor zu reparieren hat ist grösser, als die, die man dort sah. Ich weiss nicht, wie man das ertragen kann. Es wird eine fürchterliche Reaktion kommen gegen diese Pseudowissenschaft. Nur wird man dann das Kind mit dem Bade ausschütten. –

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1941-43, Eintrag 1943-06-08
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.24)