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tagebücher / 1943-44 / 1943-07-07

Mittw. 7. Juli 1943

Gestern hat es sich also entschieden, daß ich in Princeton bleibe, da der Fed. Res. Board das ganze Projekt bis zum Herbst verschoben hat. Dodds hatte mit mir gesprochen (wollte endgültigen Bescheid haben), dann mit Goldenweiser telefoniert, der gerade mit mir in Verbindung treten wollte. Z. T. ist es schade, aber es ist gewiss ein leichteres Leben hier, obwohl ich nun 12h lehren muß: 5h Econ. Theory, der Rest im "Area" Program der Armee; dort muß ich, beginnend in 3 Wochen, wöchentlich 2h Vorles. halten, der Rest Precepts. Die Vorles. über Econ. Organiz. of Western Europe. Also recht unbestimmt. Falls ich einen Assistenten bekommen könnte, wäre es gar nicht so übel. – Die Arbeit für das Ntl. Bureau wird leiden; aber ich werde mich sehr bemühen. Es wird eine Frage der Organisation sein & der Witterung. – Heute kühl & viel Regen; erste Theorie Vorles. gehabt, 24 Studenten.

Mit der Volksw. Chronik Fortschritte gemacht. Im Jahre 1907 kenne ich mich nun ziemlich gut aus. Es lassen sich wirklich Beobachtung über die Übertragung von Schwankungen machen; der Goldstand Mechanismus ist nicht so automatisch wie immer hingestellt. Die Rolle Londons ist auch anders: Nicht der Vorrat, sondern nur die Maschine, die Gold aus anderen Vorräten herbeischafft. Das ist recht interessant. Wenn ich nur die Zeit hätte, das alles schön auszuarbeiten. 1929 wird einen guten Kontrast abgeben. Man sieht auch wieder wie flüchtig die Beobachtungen sind, auf denen die meiste Theorie ruht.

Sonst nicht viel los. – Was mich an Washington gefreut hätte, wäre wieder einmal unter Menschen zu kommen. Ich habe sehr einförmigen Kontakt, alles das seit –. Ich muß mir wieder einmal etwas überlegen; aber ich fühle mich so sehr von der Arbeit festgehalten. – Johnny hat Teile des MS gelesen. Er soll sich Kap. III. anschauen; dann bin ich befriedigt. Hoffentlich können wir bald zum Satz gehen. Es ist nur Aydelotte, auf den wir jetzt warten wegen der restlichen $ 1500.-. Es wird wohl 2-3 Monate dauern, bis wir die Fahnen haben. – Ich erwarte die galleys meines JPE Aufsatzes, der im Aug. erscheinen wird.

Kühl, starker Regen diese Nacht & am morgen.

Jetzt ist es bald ein Jahr (15. Juli), daß die letzte direkte Nachricht von den Eltern via Red Cross aufgegeben wurde, die im Sept. hier ankam. Ich verstehe nicht, daß keine weiteren kamen, da sie doch sicher welche gesandt haben. Hoffentlich kommen wenigstens meine an.Später: Vorher eben ein Telegr. von Mimi: "Staying in hospital with diphteria; do see your doctor, terribly sorry Mimi." – Sonntag hier hatte sie Halsweh & ich brachte sie zum Spital zum Pinseln. Kein Doktor dort & in Wilmington hat er es erst heute (!) erkannt. Unglaublich. Hoffentlich geht es ihr bald besser; ich telefon. mit Rostler, dessen Frau Fieber hat! Aber die Sulfadrugs sollten das doch in Arbeit nehmen. Ich werde morgen früh in die Infirmary gehen, um zu sehen, ob ich OK bin. Man bildet sich leicht etwas ein. –

Der Krieg in starker Bewegung durch die deutsche Offensive in Russland. Aber die Nazis scheinen sich im wesentlichen blutige Köpfe zu holen. In den Solomons etliche jap. Schiffe versenkt.

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1943-44, Eintrag 1943-07-07
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.25)